Im Zeichen des Schicksals
Schulgebäude noch irgendeinen Zweifel gelassen hätte, so hätte ein einziger Blick auf die Schüler genügt, um meinen Verdacht zu bestätigen: Die Thornton Academy war nicht vergleichbar mit meiner letzten Schule. Hier waren die Kinder der Reichen und Mächtigen untereinander.
»Du siehst aus, als wärst du zu einer Beerdigung unterwegs«, bemerkte Josh, während wir uns einen Weg durch das Gedränge auf den Fluren bahnten.
Damit lag er gar nicht so weit daneben. Ich war seit Jahren in keiner Schule mehr gewesen, und diese hier war voller versnobter reicher Kids. Obwohl ich eine funkelnagelneue Schuluniform trug, war ich mir sicher, dass jedermann hier schon bald wissen würde, dass ich nicht hierhergehörte. Wie um alles in der Welt hatte ich mir einreden können, dass das Ganze eine gute Idee war?
Zumindest hatten die seltsamen Visionen aufgehört. Das ganze Wochenende über hatte ich Angst gehabt, dass sie sich zu einem Dauerzustand entwickeln könnten, sodass ich nie wieder jemanden berühren konnte, ohne in die nächsten Minuten seines Lebens hineingezogen zu werden. Aber mehrere flüchtige Berührungen mit Josh und Marie im Laufe des Wochenendes hatten keinerlei derartige Zeitverschiebungen zur Folge gehabt, daher hatte ich mich etwas entspannter gefühlt … bis jetzt.
»Weißt du, vielleicht sollte ich zum Haus zurückgehen.«
Josh blieb stehen, dann lächelte er einem Vorübergehenden zu, um sich dann zu mir umzudrehen. »Du trägst die Uniform, du hast die Bücher, und was die Kurse betrifft, bist du völlig im Rahmen der Anforderungen, also mach dir keine Sorgen, okay? Jede Menge Leute hier sind in Erdkunde regelrechte Nieten.«
Ich musste über seine Bemerkung lächeln. Als wir am Abend zuvor weiteren Schulstoff durchgegangen waren, hatte Josh meine Geografiekenntnisse getestet. Ich hätte nie gedacht, dass ich aus den Reisebüchern, die ich damals aus dem Secondhandladen geborgt hatte, derart viel über Höhenzüge und Seen gelernt hatte. Er hatte recht, es würde nicht leicht werden, aber ich hatte durchaus einiges zu bieten, selbst in der illustren Thornton Academy.
»Hör mal, ich würde ja wirklich gern mit dir kommen, aber ich habe jetzt Latein für Fortgeschrittene.« Er wirkte nicht erfreut über diese Aussicht, und ich war es auch nicht. Ich hätte mich erheblich wohler gefühlt, wenn er mich hätte begleiten können. »Wir treffen uns dann beim Mittagessen, in Ordnung?«
Zwei Mädchen, die mit deutlich britischem Akzent miteinander sprachen, kamen vorbei. Als sie Josh bemerkten, blieben sie unvermittelt stehen.
»Guten Morgen, Josh!«, sagten sie wie aus einem Munde. Dann waren sie auch schon wieder fort, warfen ihr perfekt geglättetes Haar zurück und kicherten hinter manikürten Fingernägeln.
Ich sah den Mädchen noch einen Moment nach, dann murmelte ich: »Kann sein, dass ich zum Mittagessen nicht da bin.«
»Oh, komm schon, jetzt werd mal ein bisschen locker, du schaffst das schon!«
Wir gingen weiter, blieben jedoch ab und zu kurz stehen, damit Josh mit dem einen oder anderen ein paar Grußworte wechseln konnte. Jedes Mal war es das Gleiche: Ein Hallo für Josh und ein neugieriger Blick für mich. Er zog viel zu viel Aufmerksamkeit auf sich. Vielleicht war es doch besser, ohne Josh zum Unterricht zu gehen.
»Ich finde, du hättest ruhig mal erwähnen können, dass du hier Mr. Allseits-Beliebt bist«, bemerkte ich. Nicht, dass es mich wirklich überrascht hätte. Er sah gut aus, war nett und in einer lächerlich beliebten Rugbymannschaft der ›Verbindungshalb‹, eine wichtige Position, die Melissa zufolge der des Quarterbacks in einem Footballteam entsprach.
»Entschuldigung, ja, das hätte ich wohl machen sollen«, meinte Josh achselzuckend.
»Wow, das ist aber wirklich bescheiden.«
»Bescheidenheit ist etwas für Langweiler«, ertönte eine Stimme hinter uns. Wir wandten uns beide um und sahen Sandra, Elizabeth und Missy auf uns zukommen. Ihre Röcke waren kürzer als die aller anderen, ihre Taschen größer und ihre Absätze höher. Wie konnte man auf solchen Absätzen gehen?
»Und mein Süßer ist kein Langweiler«, sagte Sandra mit einem gezierten Lächeln, während sie sich bei Josh unterhakte.
Ich trat beiseite, genau wie die beiden anderen Mädchen. Missy schaute nicht einmal in meine Richtung. Elizabeth bedachte mich mit einem flüchtigen Blick, dann sah sie weg. Es war wie eine Szene aus einem schlechten Teeniefilm. Erstaunlich, dass Leute sich wirklich so
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