Im Zeichen des Schicksals
wenig aus dem Haus zu gehen: Melissa hat heute die Vormittagsschicht, und sie hat mir heute Morgen schon drei Nachrichten geschickt, in denen sie sich nach deinem Befinden erkundigt. Da du ohnehin schon wach bist, könnte ich dich am Fred’s absetzen, wenn du Lust hast.«
»Das wäre schön«, sagte ich und nickte. Wenn ich schon nicht das Rugbyteam auf Dschinn absuchen konnte, dann konnte ich zumindest von Melissa weitere Informationen über East Wendell und seine Bewohner erhalten.
»Wunderbar. Ich hol dich nach dem Training wieder ab. Gehen wir!«
Ich brauchte einen Moment, um mir meine Tasche und etwas Geld zu schnappen und das Buch über Analysis gegen das Geschichtsbuch zu tauschen. Dann brachen wir auf, und Josh hatte mich in null Komma nichts vor Fred’s abgesetzt.
Melissa machte buchstäblich Freudensprünge, als sie mich an der Tür bemerkte, was ziemlich lustig aussah. Ich hatte noch nie jemanden kennengelernt, der sich auch nur annähernd so … körperlich ausdrückte.
»Ich bin so froh, dass du gekommen bist! Und dein Gesicht ist gar nicht so schlimm, wie ich erwartet hatte! Josh hat mit dem ganzen Krankenhausbesuch definitiv übertrieben. Ein bisschen Schminke, und man sieht überhaupt nichts mehr!«, sagte sie anstelle einer Begrüßung.
»Danke. Ich will dich nicht von deiner Arbeit abhalten oder so, ich dachte nur, ich könnte vielleicht an einem der Tische ein bisschen was lesen.«
»Mach dich nicht lächerlich! Chris übernimmt diesen Teil des Restaurants; ich bin nur für die Sitzecken dort drüben zuständig, da hab ich schon mal ein paar Minuten für dich übrig.« Sie lachte.
Ich sah mich im Lokal um und verstand, was sie meinte. Es waren insgesamt nur fünf oder sechs Gäste da, und keiner von ihnen saß in Melissas Zuständigkeitsbereich.
»Ist hier morgens immer so wenig los?«, fragte ich, während Melissa mich in die sonnigste Sitzecke führte.
»Eigentlich nicht. Wir haben für gewöhnlich um diese Zeit mindestens ein Dutzend Stammgäste und etwas Laufkundschaft, aber heute ist der erste Trainingstag, daher sind wohl viele drüben beim Sportgelände, um zuzusehen, wie die Jungs einander vermöbeln.«
»Die Leute sehen beim Rugbytraining zu?« Offensichtlich waren nicht alle mit Josh darin einer Meinung, dass das Training langweilig war. Verdammt. Ich hätte darauf bestehen sollen mitzugehen.
Melissa nahm auf dem Sitz mir gegenüber Platz. »Oh ja. Es ist die einzige Trainingseinheit, bei der der Trainer Zuschauer erlaubt, daher wird wahrscheinlich die halbe Stadt dort sein.«
»Klingt ganz danach, als würden die Leute hier Rugby ziemlich mögen.«
»Na ja, die Leute mögen Rugby nicht, sie sind geradezu verrückt danach.« Sie lehnte sich auf ihrem Sitz zurück und winkte dem Barkeeper, der gerade eingetroffen war, grüßend zu. Er trug einen schwarzen Kapuzenpullover, auf dem vorne ein blauer Ritter abgebildet war. »Es gibt im Grunde nur drei Dinge, die die Leute dieser Stadt verrückt machen können: Die Thornton Academy, Rugby und das Ahornfest.«
Natürlich, das Fest hatte ich ganz vergessen. »Hast du dir eigentlich den Gartenverein mit seiner Forderung, für die Rasenerneuerung zu bezahlen, vom Hals schaffen können?«
»Nein, und das macht mich verrückt! Ich muss fünfzig Dollar für den Stand bezahlen und noch mal dreißig für den blöden Rasen. Zusätzlich zu den fünfzig, die ich für die Sachen ausgebe, die ich zum Backen der Schokoplätzchen und der Brownies brauche. Ich kann von Glück sagen, wenn ich das ganze Geld überhaupt wieder reinbekomme!« Melissa lehnte sich frustriert zurück.
Ich ging im Geist die genannten Zahlen durch. »Für wie lange hast du den Stand?«
Melissa ließ ein paarmal ihren Kugelschreiber klicken und hielt an der Tür nach neuer Kundschaft Ausschau. »Vier Stunden. Warum?«
Mit vier Stunden Verkaufszeit und Waren im Wert von fünfzig Dollar konnte sie locker mehrere Hundert verdienen.
»Darf ich mir ganz kurz deinen Block und den Stift borgen?«
Melissa reichte mir beides und musterte mich neugierig. »Was überlegst du?«
Ich überging die Frage. »Kommen überwiegend junge Leute zum Fest?«
»Eigentlich alles querbeet. Kleine Kinder, Familien und so ziemlich alle Schüler der Thornton Academy. Es kommen auch haufenweise Leute aus den umliegenden Städten. Wie gesagt, es ist hier ein großes Ereignis.«
Das hörte sich gut an. Die Arbeit in Tonys Bäckerei hatte mich gelehrt, dass junge Menschen immer hungrig waren
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