Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)
richtige Welt außer Kontrolle gerät?«
Felix hört auf zu tippen.
Ich schließe die Tür und lasse ihn und eine tiefe Stille im Raum zurück.
Kapitel 12
»Ich hab eine Thermoskanne Kaffee auf die Anrichte gestellt, zum Mitnehmen, und noch ein paar Safranbrötchen dazugelegt«, sagt Tante Bev. »Hoffen wir, dass das Mr Andersen dazu animiert, die Moana zu kaufen.«
Dads Angelzeug und eine zusätzliche Rettungsweste liegen an der Küchentür. Daneben steht ein Eimer voller Fischköder. Ich quetsche die Thermoskanne mit dem Rest des Picknicks in die Stofftasche und lege die gelben Brötchen oben drauf. Dad hat schon ein paar Pasteten, Chipstüten, eine große Flasche Limonade und Plastikbecher eingepackt.
»Er erwartet wohl eher Sushi statt Pasteten«, sage ich.
Dad schaut hoch. »Was ist das?«
»Nichts.« Ich rutsche den Türrahmen runter und drücke meinen Fuß gegen die Tasche. Ich höre, wie die Plastikbecher brechen, und presse meinen Fuß gegen die Tüte mit den Pasteten. Ich will, dass sie aufplatzt und Fleisch und Zwiebeln an der Thermoskanne und den Kartoffelchips kleben bleiben. Ich zupfe eine Rosine von einem der Brötchen und zerdrücke sie zwischen den Fingern.
»Lass das!« Tante Bev funkelt mich über ihre Illustrierte hinweg wütend an. »Mr Andersen möchte keine angeknabberten Brötchen.«
Daisy schneidet Bilder aus Zeitschriften und Katalogen aus und klebt sie auf ein Blatt Papier. Sie unterbricht ihre Arbeit, hält die Schere in die Luft und guckt finster drein. »Der aus dem Café, das ist doch sein Sohn?«
Ich nicke. »Der Neue in unserer Schule.« Daisys Blick wird noch finsterer. »Irgendwas stimmt mit ihm nicht, oder?«
»Du hast völlig recht«, sage ich, »er ist ein Idiot und ich mag ihn nicht.«
Dad lässt kaltes Wasser aus dem Wasserhahn in eine alte Plastikflasche sprudeln. »Mr Andersen hat mir erzählt, dass Felix eine zerebrale Lähmung hat«, sagt er.
Tante Bev schaut auf und zieht die Luft durch die Zähne. »Gerade hab ich darüber was in meinem Schwangerschaftsmagazin gelesen. Das passiert, wenn ein Baby, bevor es geboren wird, nicht genug Sauerstoff bekommt.« Sie fasst mit der einen Hand auf ihren Bauch und hält mit der anderen die Zeitschrift in die Höhe. »Hier drin ist ein Artikel über ein betroffenes Mädchen. Sie kann weder gehen noch sprechen. Sie ist an den Rollstuhl gefesselt, ihr ganzes Leben lang.«
»Dieser Junge braucht keinen Rollstuhl«, sagt Daisy.
Dad dreht den Wasserhahn zu und verschließt die Flasche. »Ich denke, einige trifft es schlimmer als andere.«
Tante Bev klappt die Zeitschrift zu und schüttelt den Kopf. »Mir tun seine armen Eltern leid.«
»Mir auch«, sage ich. Das ist das erste Mal, dass Tante Bev und ich der gleichen Meinung sind. »Ich weiß nicht, wie sie ihn ertragen.«
»Kara!« Tante Bev sieht mich wütend an. »So was darfst du nicht sagen. Er ist …« Sie zögert, als würde sie nicht die richtigen Worte finden. »Du solltest Mitleid mit ihm haben. Er ist anders als du oder ich.«
Ich nehme die Picknicktasche und gehe vor die Tür. »Das hält ihn anscheinend nicht davon ab, ein Idiot zu sein«, sage ich.
Dad steht an Deck der Moana und zieht das Hauptsegel auf. »Wir müssen das Segel etwas reffen«, sagt er. »Da draußen ist es ein bisschen windig.«
Ich blicke hinaus aufs Meer. Die See sieht unruhig aus, auf den Wellen tanzen Schaumkronen. »So schlimm ist es doch gar nicht«, sage ich. »Wir waren schon an schlimmeren Tagen mit vollen Segeln unterwegs.«
Um das Hauptsegel zu verkleinern, faltet Dad den unteren Teil zusammen. »Wir veranstalten kein Rennen«, sagt er. »Es soll ein gemächlicher Bootsausflug für Mr Andersen werden.«
»Wir sollten was von ihm verlangen«, sage ich. »Er hat genug Geld.«
Ich werfe die Picknicktasche, die Schwimmsachen und die Extrahandtücher ins Boot und stopfe sie in die Backskiste unter dem Vorderdeck. Dann binde ich den Eimer mit denFischködern an den Mast, damit er nicht über Deck rollt, wenn wir lossegeln. Heute wäre ich am liebsten allein. Allein mit Dad. Ich wünschte, es wäre sonst niemand an Bord.
»Da kommt Mr Andersen«, sagt Dad.
Mr Andersen läuft den Ponton entlang, gefolgt von Mrs Andersen und Felix. Ich wundere mich, dass sie ihn begleiten. Die Holzplanken des Pontons federn unter den Schritten. Plötzlich taumelt Felix und fällt auf die Knie. Seine Mutter versucht, ihm zu helfen, aber er scheucht sie weg.
»Startklar?«, fragt Mr Andersen. Er
Weitere Kostenlose Bücher