Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)
muss offline spielen.«
Auf dem Bildschirm erscheint ein Krieger in Kampfmontur. Langsam dreht er, umgeben von einem ganzen Haufen Waffen, immer und immer wieder seine Runden. Die Kleidung wechselt dabei ständig die Farben, erst tarnfarbengrün, dann sandfarben, dann polarweiß.
»Endlich!« Felix atmet auf. »Stealth-Warriors, Tarnkappenkrieger«, sagt er. »Hast du das schon mal gespielt?«
Ich schüttle den Kopf.
»Auf den verschiedenen Levels hast du verschiedene Stufen der Tarnung«, sagt er. »Ich bin auf Level zehn, da kannst du dich an jeden Hintergrund anpassen.«
Ich reibe mir die Augen. Von den Computerbildschirmen in der Schule kriege ich immer heftige Kopfschmerzen.
»Was hältst du von der Schule?«, frage ich.
»Nicht viel«, antwortet er. Er starrt weiter auf den Bildschirm und drückt Tasten. Sein Krieger erscheint vor der Kulisse einer Stadt. »Hier, sieh dir das an!«, sagt er. »Ist das nicht cool?«
Ich zucke mit den Schultern. Plötzlich wird sein Krieger feuerrot. Der größte der feindlichen Krieger hat ihn erschossen.
»Professor Lexus!«, schreit Felix. Er plumpst in seinen Stuhl zurück. »Das hätte ich wissen müssen. Mein Krieger wird vor Wut ganz rot, wenn er ihn sieht. Jetzt muss ich noch einmal anfangen.«
Ich habe genug von Felix und seinem Computerspiel. Immerzu muss ich daran denken, was wohl Dad und Mr Andersen gerade besprechen. Will er unser Boot kaufen? Ich gehe rüber zu den Fenstern und blicke aufs Meer. Die Sonnenstrahlen strömen ins Zimmer. Trotz des Ventilators ist es hier drin sehr warm. Ich ziehe meinen Pulli aus und lege ihn auf den Boden. Ein Sturmvogel segelt vorüber und breitet seine Flügel aus, um sich vom Wind tragen zu lassen. Das Meer glitzert im Sonnenlicht. Es sieht ruhig aus, aber am Fuß des Gull Rock brodelt die Gischt ganz weiß. Ein Segelboot neigt sich gegen den Wind und hebt und senkt sich mit den Wellen. Heute geht es da draußen stürmischer zu, als es aussieht.
Schritte nähern sich. Eine Frau trägt ein Tablett voller Getränke herein. Ich habe sie schon im Café gesehen – es ist die Frau, mit der Felix sich gestritten hat.
»Du musst Kara sein«, sagt sie.
Ich nicke.
»Aha, Felix lässt dich wohl nicht mitspielen?«, sagt sie.
Entweder hat Felix nichts gehört oder er beachtet sie nicht.
»Mich interessieren Computerspiele sowieso nicht besonders«, sage ich.
»Schön für dich«, sagt sie. »Hast du das gehört, Felix? Du kannst mal eine Pause machen.«
Felix steht auf und kommt mit kurzen und ruckartigen Schritten zu uns herüber. Seine nackten Füße berühren den Boden erst mit den Zehen und dann mit den Fersen. Er nimmt ein Glas Limonade in die gesunde Hand und funkelt seine Mutter an. »Wenn wir wieder in London wären, würde ich irgendwo mit meinen Freunden rumziehen.« Er kippt sich die Limo rein und stopft sich einen Keks in den Mund. Ich kann mir vorstellen, dass sie darüber gestern im Café gestritten haben.
Ich nehme mein Glas und schaue wieder aus dem Fenster.
»Fantastisch, nicht wahr?«, sagt Mrs Andersen. »Wir haben das Anwesen wegen des Ausblicks gekauft.«
Ich nippe an meinem Getränk – frische Limonade aus echten Zitronen, nicht dieses Brausezeugs in Flaschen.
»Vorgestern Abend haben wir Delfine beobachtet«, sagt Mrs Andersen, »genau von diesem Fenster aus.«
Mein Blick streift über die ganze Bucht. »Ich hab sie auch gesehen.«
Mrs Andersen lächelt. »Das sind so kluge Tiere. Weißt du noch, Felix? All diese Kunststücke, die sie im Wasserpark in Florida gezeigt haben?«
»Fantastisch«, sagt Felix. Er versucht erst gar nicht, den Spott in seiner Stimme zu verbergen. »Wie aufregend, wenn man einen Delfin nach dem anderen durch einen Reifen springen sieht.«
Ich frage mich, ob er darüber nachdenkt, wie sich Delfine fühlen, wenn sie jeden Tag in einem kleinen Becken immer wieder durch Reifen springen müssen. Das anzusprechen traue ich mich allerdings nicht. Stattdessen blicke ich in mein Glas und will nichts weiter, als mit Dad von hier abzuhauen. Aber ich weiß nicht einmal, wo er sich gerade befindet.
Mrs Andersen beachtet Felix nicht und wendet sich an mich. »Du und dein Dad – ihr habt schon immer hier gelebt?«
Ich nicke. Ich wünschte, sie würde aufhören, so freundlich zu sein. »Dad ist Fischer«, antworte ich. Während ich das sage, merke ich bereits, wie blöd das klingt. Wie will er denn Fische fangen, wenn er das Boot nicht mehr hat?
»Und deine Mum«, fragt Mrs
Weitere Kostenlose Bücher