Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)
zwanzig.«
»Fangt ihr viel?«
»Es reicht«, sage ich. Ich drehe ihm den Rücken zu, verschränke die Arme und schaue hinaus aufs Meer. Ich will noch einmal die Delfine sehen, will sehen, wie sie durch unsere Bugwellen springen. Das Sonnenlicht glitzert auf dem Wasser, als sei es ein Meer aus Sternen. Bald schon werden wir so etwas nicht mehr erleben. Nichts mehr davon wird es für uns geben, rein gar nichts mehr.
Wir umschiffen das Kap und segeln an der schroffen Küste entlang, an kleinen Buchten und tief eingefurchten Felsnischen. Hellorangefarbene Bojen tanzen auf dem Wasser. Sie markieren die Position der Hummerkörbe tief unter ihnen. Ein Mann in einem Boot winkt uns zu. An seinen Bojen kann ich die Initialen TL erkennen. Das ist Ted von der Merry Mermaid , der seine Körbe kontrolliert. Ich kann mich daran erinnern, wie ich Dads Initialen auf unsere Bojen gepinselt habe. Ich habe auch Blumen daraufgemalt, große weiße Blumen. Dad hat erzählt, dass er sich das im Pub ewig anhören musste. Monatelang haben sie ihn den Blumentopfmann genannt. Sie haben ihn auch damit aufgezogen, dass ihn Mum dazu gebracht hat, althergebrachte Weidenkörbe zu benutzen und keine modernen aus Metall und Nylonnetzen.
Dad nimmt etwas Wind aus den Segeln und wir werden langsamer, als wir uns der Öffnung der schmalen Felsenbucht nähern, in der unsere Hummerkörbe liegen. Am Rand der Klippe krächzen zwei Raben. Wellen schlagen gegen die Felsen und direkt über der Bucht kreisen und kreischen Möwen. Ich recke den Hals, um Ausschau zu halten, denn da muss irgendetwas sein, was die Vögel anzieht. Eine geblümte Boje tanzt auf dem Wasser, wie der verlorene Luftballon eines kleinen Kindes. Die Boje zieht ein langes blaues Tau hinter sich her.
Plötzlich fühle ich mich hundeelend, weil hier irgendetwas ganz schiefzulaufen scheint. Das Gedröhne von Maschinen durchschneidet die Luft und schwarzer Rauch treibt himmelwärts.Aus unserer Bucht sprengt ein orange gestreiftes Schlauchboot hervor. Es bäumt sich über einer Welle auf und klatscht wieder ins Wasser, dass die Gischt nur so sprüht.
Es düst dicht an uns vorüber und zieht einen engen Bogen um unser Boot. In seinem Kielwasser gerät die Moana ins Schwanken. Ich muss meinen Arm ausstrecken, um nicht zu stürzen. Dougie Evans steht am Steuer und lächelt grimmig, während Jake seinen Daumen in unsere Richtung nach unten reckt.
Aber mein Herz klopft wie wild, weil ich im Kopf Jakes Worte immer und immer wieder höre.
»Bald werden du und dein Dad nichts mehr haben.«
Kapitel 13
Nahezu alle unsere Bojen sind aus der kleinen Bucht verschwunden.
Zwei übrig gebliebene treiben mit ihren gekappten Tauen gegen die Felsen. Unsere Initialen sind auf ihnen zu sehen und die Blumen. Eine Boje schwimmt neben uns, Dad holt sie ins Boot und zieht das Tau aus dem Wasser. Dann kippt der Hummerkorb über die Bordwand an Deck, doch es ist nichts weiter übrig als ein zerschlagenes Weidengeflecht. Die Klappe ist herausgerissen und der Trichter der Falle wurde herausgeschnitten. Der Korb ist nicht mehr zu gebrauchen.
Dad stiert einfach nur auf die Trümmer in seinen Händen. »Sie sind alle hin, Kara«, sagt er.
Das gestreifte Schlauchboot verschwindet in der Ferne und zieht eine Wolke aus weißer Gischt hinter sich her.
Mr Andersen sitzt da und schaut mit finsterem und angespanntem Blick nach vorne. »Was ist hier passiert?«
»Lass uns die Polizei rufen, Dad«, sage ich.
Dad schüttelt den Kopf. »Zwecklos. Es gibt doch keine Beweise. Sein Wort steht gegen meins.«
»Aber Dad …«
Dad schiebt die Überbleibsel des Korbs auf die Bank neben mir. Er zwingt sich ein Lächeln ins Gesicht und wendet sich an Mr Andersen.
»Wir sollten jetzt wohl eine Mittagspause machen.«
Er reißt das Ruder herum, der Mastbaum schwenkt aus, das Segel strafft sich und mit einem Ruck schießt die Moana nach vorn.
Ich lehne mich zurück. Die Bucht verliert sich allmählich wieder zwischen den Felsblöcken, die sich an der Küste entlangziehen. Eine leere Coladose tanzt auf einem Teppich aus ausgelaufenem Maschinenöl. Ich hasse Jake Evans. Meine Augen sind voller Tränen und dieses Mal kann ich nicht verhindern, dass sie mir über die Wangen kullern.
Dads Blick ist aufs Meer gerichtet. Über seine Stirn zieht sich eine tiefe Falte. Er segelt die Moana mit ziemlich grober Hand. Das Boot klatscht gegen die Wellen und jede einzelne drischt auf uns ein.
Felix starrt auf seine Füße. Sein Gesicht scheint
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