Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)
verschwindet, bleiben Dad und ich in der Diele stehen. Der Raum ist riesig. Die Wände sind weiß gestrichen, der Fußboden besteht aus sonnengebleichtem Holz. In einer Glasvitrine auf einem Tisch neben dem mächtigen Treppenaufgang steht das Modell eines Windjammers. Ich presse die Nase ans Glas, mein Atem beschlägt die Scheibe und ich stelle mir vor, wie Piraten durch dicke Nebelbänke auf dieses Schiff zusegeln. Ich will sehen, wie sich meine winzigen Piraten durch die Takelage schwingen. Ich will, dass sie den Kapitän dieses Schiffes über die Planke ins aufgemalte Meer springen lassen.
»Ist doch großartig, oder?«
Ich drehe mich um. Ich habe nicht gehört, dass Mr Andersen zurückgekommen ist.
Auch er guckt durch das beschlagene Glas. »Das ist eine Nachbildung der America , des Schoners, der 1851 den allerersten America’s Cup rund um die Isle of Wight gewonnen hat.«
Ich richte mich auf und versuche, mit dem Ärmel die beschlagene Scheibe klar zu reiben. Ich blicke mich nach seinem Sohn um, aber der ist nicht in der Diele.
»Kommt mit«, sagt er. »Ich hab ihn gefunden. Es wird ihm guttun, wenn er hier ein paar Freundschaften schließt.«
Dad und ich folgen Mr Andersen den Korridor entlang, durch eine Tür, in einen hellen und sonnendurchfluteten Raum. Durch die riesigen Bogenfenster sehe ich nichts als Ozean, den Atlantik in seiner ganzen Weite. Weiße Ledersofas stehen, in Blickrichtung Meer, den Fenstern gegenüber.
»Kara, darf ich dir meinen Sohn vorstellen«, sagt Mr Andersen.
Ich drehe mich um. Am Tisch sitzt ein Junge, der mit dem Rücken zur Fensterfront auf einen großen Computerbildschirm starrt. Er wendet den Kopf und guckt mich schräg an.
Ich werfe ihm einen finsteren Blick zu.
Ich kann nicht glauben, dass er es ist.
Ich verschränke die Arme vor der Brust und weiß, dass ich meine Abneigung nicht verbergen kann. Mein Gesicht spricht Bände.
»Wir sind uns schon begegnet«, sage ich.
Kapitel 11
Es ist Felix.
Der Neue in der Schule.
Der Junge, der so fies zu Daisy war.
Über uns surrt ein Deckenventilator.
Mr Andersen runzelt die Stirn und schaut Felix an.
»Wir haben uns in der Schule getroffen«, sagt Felix.
Er spricht undeutlich. Die Stimme klingt, als sei seine Nase verstopft.
Mr Andersens Augen huschen zwischen mir und Felix hin und her. Er reibt sich mit der Hand übers Kinn. »Warum zeigst du Kara nicht, was du gerade am Computer gemacht hast, Felix? Ich werde Mum bitten, euch etwas zu trinken zu bringen. Würde dir das gefallen, Kara?«
Ich nicke und starre auf die rotierenden Ventilatorflügel.
»Kara!« Dad wirft mir einen seiner wütenden Seitenblicke zu.
»Danke schön, Mr Andersen.« Ich betone jedes Wort einzeln und funkle Dad an. »Das wäre sehr nett.«
Mr Andersen lächelt kurz. »Gut«, sagt er. »Also, Mr Wood,suchen wir uns irgendwo eine ruhige Ecke und sprechen über unser schönes Boot.«
Sie gehen weg. Irgendwie fühle ich mich hintergangen, wenn ich so einfach zurückgelassen werde, wo ich doch verhindern will, dass Mr Andersen die Moana kauft. Felix starrt schon wieder auf seinen Computer und drückt mit der gesunden Hand auf den Tasten herum. Ich stehe hinter seinem Drehstuhl und schaue ihm über die Schultern. Es ist nichts als das Klappern der Computertasten und das Surren des Deckenventilators zu hören.
»Daisy wollte dir nur helfen, weißt du«, sage ich. Meine laute Stimme hallt im Raum.
Felix hört auf, auf der Tastatur herumzuhämmern. Seine Finger schweben über den Tasten. »Na ja, tut mir leid, wenn ich sie beleidigt habe, aber du kannst deiner Schwester sagen, dass ich keine Hilfe brauche.«
»Du kannst ihr doch selbst sagen, dass es dir leidtut«, entgegne ich. »Übrigens ist sie meine Cousine und nicht meine Schwester.«
»Egal«, sagt Felix und drückt wieder auf die Tasten. »Wenn andere Leute ihren Spaß dran haben, mich auszulachen, dann ist das ihre Sache, nicht meine. Das ist kein Problem.«
Der Computerbildschirm wird plötzlich schwarz. Felix hämmert auf die Tasten ein und knallt dann seine Faust auf den Schreibtisch. »Aber das hier, das ist ein Problem.« Er fährt sich mit der Hand durchs Haar. »Hier gibt’s keinen Breitbandanschluss. Wie könnt ihr damit nur leben?«
Ich vergrabe die Hände tief in den Hosentaschen. »Was machst’n du grad?«
Felix rollt mit den Augen. »Das ist doch wohl klar. Ich versuche, mich ins Internet einzuloggen, um dieses Spiel zu spielen. Aber ich krieg keine Verbindung. Ich
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