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Im Zimmer wird es still

Im Zimmer wird es still

Titel: Im Zimmer wird es still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Walther
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Druck.«
    »Hast du mit ihm darüber geredet?«
    »Ist das wichtig?«
    Andreas stellte sein Weinglas ab, blickte auf: »Nein. Lass es uns versuchen.«
    Er rückte näher, küsste Andreas’ Gesicht, dann fanden sich ihre Münder. Mit seiner Zunge erkundete er Andreas’ Lippen, seine Zähne. Drang in seinen Mund ein, füllte ihn aus und saugte sich an seiner Zunge fest. Sie küssten sich heftig und zart, tief und lockend. Vergaßen jede Zeit. Wurden wieder Geliebte.
    Am nächsten Abend saßen Sie im Wohnzimmer, unterhielten sich so gelöst und fröhlich wie lange nicht mehr, tranken Rotwein. Sommerregen trommelte an die Fenster. Andreas lehnte sich mit dem Rücken an seine Brust, sie verschränkten ihre Hände ineinander. Sie sprachen über ihren Urlaub, der ganz nahe gerückt war. Dann drehte Andreas ihm das Gesicht zu und sie küssten sich mit offenen, gierigen Mündern. Er umfasste Andreas fester. Sie verloren sich wieder in der Zeit, in ihren Lippen. Seine Hände auf Andreas’ Brust, seine Finger auf dem Weg unter Andreas’ Hemd.
    Nicht mehr. Ihre Zärtlichkeiten auf ein schmales Areal beschränkt. Seine Lippen an Andreas’ Ohr, seinem Hals. Andreas atmete schwer, tastete nach seiner Erektion, aber er hielt seine Hand fest.
    »Nur küssen.«
    »Aber …«
    »Ist besser so.«
    Andreas atmete immer noch schwer, lehnte sich wieder an ihn: »Morgen müssen wir packen und übermorgen sind wir schon an der Côte d’Azur.«
    »Ja.«
    »Macht es dir nichts aus, wenn nicht mehr passiert?«
    »Nein.« Er überlegte: »Weil ich merke, dass es hilft.«
    Als Andreas gegangen war, zog er sich aus, legte sich in sein großes Bett und holte sich einen runter.

3
    Eine Hand auf seiner Hüfte, ganz leicht nur. Ein Mund an seinem Ohr, ein warmer Atem, eine Berührung wie ein Hauch. Feuchte Lippen an seinem Hals, eine Zungenspitze. Die Lust erst nur ein Prickeln, dann eine höher züngelnde Flamme. Sein Körper wendet sich dieser Hand, diesem Mund zu, die Augen immer noch fest geschlossen.
    »Willst du?«, fragte Peter, und der Bann brach. Er kniff die Augen zusammen, wollte in diesem wohligen Zustand auf der Schwelle zur Wachheit bleiben. Peters Hand nahm seinen Bauch in Besitz, Peters Lippen suchten seinen Mund. Er drehte den Kopf weg, weil er einen Hauch von schlechtem Atem gespürt hatte. Die Hand wanderte tiefer, sein Körper spannte sich an, er öffnete die Augen. Sah, dass Peter ihn kritisch beobachtete, die Unbefangenheit des Momentes von ihm abfiel.
    Sonnenlicht drängt durch die Vorhänge. Er bleibt noch einen Moment liegen, zögert den Beginn des Tages hinaus. Verharrt zwischen Traum und Erinnerung. Es ist kühl im Zimmer, er dreht sich auf die andere Seite, kuschelt sich unter die Decke. Er schließt die Augen, spürt die Nähe des Schlafes, der sich noch einmal anschleicht. Darf nicht wieder einschlafen, sonst würde es zu spät werden.
    Er steht hastig auf und fühlt sich einen Moment schwindlig. Fährt sich durch die Haare und geht gleich ins Wohnzimmer, plötzlich ruhelos. Öffnet die Tür, gleichmäßiges, gefiltertes Licht liegt über dem Raum. Peter liegt mit geschlossenen Augen da, den Kopf nach hinten gebeugt, den Mund leicht geöffnet. Eigenartig leblos. Er erschrickt, bleibt an der Tür stehen. Dieser Anblick trifft ihn völlig unvorbereitet, Angst krallt sich in seinen Nacken, lähmt ihn. Er weiß, dass es jeden Tag, jede Nacht passieren kann, und doch ist es ein Schock. Er müsste jetzt hingehen, feststellen, was los ist. Aber er kann sich noch immer nicht rühren. Kann nicht näher treten, hat Angst vor dem Tod, Angst vor einem toten Körper. Es graust ihn davor. Er fröstelt.
    Dann gibt er sich einen Ruck. Es kann nicht sein, es ist Einbildung. Er tritt ans Bett, berührt Peters Hand. Sie ist warm. Peter schlägt die Augen auf, erkennt ihn und lächelt. Er lächelt zurück, spürt, wie verkrampft seine Kiefer sind.
    Er wendet sich ab und zieht die Vorhänge auf. Die Sonne versteckt sich noch, aber der Himmel beginnt aufzuheitern. Das Licht ist sanft. Er bleibt einen Moment am Fenster stehen. Dann geht er in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten. Setzt Kaffeewasser auf, stellt Teller und Tassen auf das Tablett. Dann zerschneidet er Orangen.
    Er ertappt sich dabei, wie er ausdruckslos ins Leere starrt. Erinnert sich an Momente wie den eben erlebten. Kurze, weniger intensive Momente, Albträume vielleicht, von denen er aufgeschreckt ist in der Nacht, oder flüchtige, verdrängte Ängste. Aber es

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