Im Zimmer wird es still
er nicht ständig ängstlich herumlavieren oder unaufrichtig sein wollte. Er wollte sich ein Leben einrichten, nicht immer nur Kompromisse und Entscheidungen davon abhängig machen, wie die Leute darüber denken könnten.
Er erklärte sich seinen Eltern. Sie nahmen es kühl und verständnislos zur Kenntnis, ohne dramatische Reaktionen. Sie schienen nichts vermutet zu haben, waren ungläubig, als er sie über die wahre Rolle seines Freundes aufklärte. Er hatte später nie den Eindruck, dass sie sich mit der Sache auseinandersetzten. Aber sie machten ihm auch keine Vorwürfe oder wiesen ihm die Tür.
Volker war böse über sein Bekenntnis, darüber, mitgeoutet worden zu sein. Er lebte sich mit ihm immer mehr auseinander. Entwickelte sich weiter, wurde selbstbewusster, während Volker sogar noch ängstlicher wurde. Fing an, bei seinen Kneipenbesuchen Angebote anzunehmen, hatte Volker gegenüber nur manchmal ein schlechtes Gewissen. Einmal ging er in der Nacht zu ihm, zwang ihn zum Sex, obwohl seine Großeltern da waren, indem er drohte, sonst Krach zu machen. Sie schliefen leise und voller Wut miteinander. Später rangen sie auf dem Fußboden, ohne dabei einen Ton von sich zu geben.
Am nächsten Tag schlug er Volker vor, zusammenzuziehen, sich auf ein gemeinsames Leben einzulassen. Oder wenigstens eine eigene Wohnung zu nehmen, wo er ihn ohne Einschränkungen besuchen könne. Volker versprach, darüber nachzudenken, aber er sah ihm an, wie sehr ihm die bloße Vorstellung Angst bereitete. Er ließ in der nächsten Zeit nicht locker, aber Volker fand immer neue Ausflüchte, Bedenken, Vorwände. Sie stritten sich verzweifelt.
Dann erfuhr er von einer verlockenden Stelle, die allerdings ein ganzes Stück entfernt lag. Er stellte Volker ein Ultimatum: Entweder sie würden ein gemeinsames Leben beginnen, egal wo, oder er würde alleine weggehen. Das Ultimatum lief aus und er packte seine Koffer. Die fremde Stadt hatte ihm schon beim ersten Besuch gefallen, der kleine Laden am Markt und der kauzige alte Goldschmied. Er wollte sich eine Existenz aufbauen, unabhängig sein.
In der neuen Stadt schloss er bald neue Bekanntschaft, fand eine schöne, geräumige Wohnung. Schnell lernte er auch schwule Männer kennen. Es gab keine richtigen Treffpunkte. Nur eine Kneipe mit einem schwulen Wirt, wo immer ein paar Männer an der Theke saßen. Man kannte sich, traf sich bei Veranstaltungen, auf Partys oder bei privaten Essen. Oft wurde er eingeladen.
Er begann, Sex zu haben, wann immer sich eine reizvolle Möglichkeit bot. Schlief mit älteren und jüngeren Männern, Bekannten, Freunden von Bekannten, Besuchern, nur selten mit völlig Fremden. Hatte One-Night-Stands, durchvögelte Wochenenden, Affären. Aus manchen wurden Freundschaften. Er genoss es. Er war nicht auf der Suche nach einem Freund. War zufrieden mit seinem Leben. Richtete seine Wohnung ein, machte seinen Meister, fuhr mit Freunden in den Urlaub. Als immer mehr Geschichten über eine neue beängstigende Krankheit aus Amerika herüberschwappten, machte er sich Sorgen. Aber er hatte Glück.
Es vergingen drei Jahre, bis er einen Mann traf, der ihn faszinierte. Er war zu einem Hauskonzert eingeladen worden. Durch die weit geöffneten Fenster drang das weiche Geräusch des Sommerregens. Ein Mann begann, Oboe zu spielen, vermischte ihren tiefen Klang mit dem des Regens. Seine Ausstrahlung war bezwingend, fesselte den ganzen Raum, bannte ihn in seinen Sessel. Der Mann hob den Blick zu ihm, während er spielte, nur zu ihm. Als die Musik verstummte, umringten alle den Solisten. Er ging allein in den Garten, der Mann folgte ihm. Der Regen fiel auf die Rosen und sie küssten sich in einer Gartenlaube. Er blieb das ganze Wochenende bei ihm.
Martin war ein gefragter Musiker. Er stammte aus der Stadt, bewohnte eine ganze Etage in der Villa seiner Eltern, war aber nur selten mehr als drei Monate im Jahr da. Nun versuchte er, etwas öfter zu kommen. Martin war weltläufig und kultiviert. Gemeinsam besuchten Sie Vernissagen und Konzerte, aßen oft in edlen Restaurants.
Er bewegte sich souveräner, legte sich eine schicke Garderobe zu. Ab und zu begleitete er Martin zu Auftritten, flog mit ihm nach Asien oder Amerika. Es war ein abwechslungsreiches, aufregendes Leben.
Als sein Chef sich zur Ruhe setzte, übernahm er den Laden. Er modernisierte ihn mit Hilfe eines Kredits und begann, seine eigenen Ideen in der Schmuckgestaltung umzusetzen. Hatte Erfolg damit, das Geschäft
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