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Im Zimmer wird es still

Im Zimmer wird es still

Titel: Im Zimmer wird es still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Walther
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gar nicht so genau wissen will.
    Peter hat das Gespräch beendet und hält ihm den Hörer hin. Er macht das Telefon aus. Peters Gesicht wirkt müde und abgespannt. Er überlegt, in sein Zimmer zu gehen und ihn in Ruhe zu lassen. Aber dann setzt er sich wieder zu ihm auf die Bettkante: »Was hat sie gesagt?«, dann leiser: »Was ist los?«
    Peter hebt den Blick: »Sie fliegt nächsten Monat zu meinem Bruder.«
    Er legt die Hand auf Peters Schulter: »Es tut mir leid.« Peter nickt, sein Mund ist ganz schmal. Er umarmt ihn.
    »Sie fliegt bis in die USA«, sagt Peter, als könne er es nicht fassen. Sein älterer Bruder ist Professor in Yale, worauf seine Eltern sehr stolz sind. Ist verheiratet und hat zwei Söhne. Sie waren zur Hochzeit des Älteren in die USA geflogen, obwohl Peters Bruder nicht begeistert war, dass er mitkam. Und jetzt fliegt Peters Mutter hin. Bis in die USA.
    Er überlegt, was er Peter sagen könnte, es fällt ihm nichts Tröstendes ein. Besonders nahe standen sich Peter und seine Eltern schon länger nicht mehr. Peter schien damit zurechtzukommen. Jedenfalls hatte er das geglaubt.
    Ihr Verhältnis zu Peters Eltern war immer in ruhigen, abgesteckten Bahnen verlaufen. Er hatte sie erst kennengelernt, als sie schon über ein Jahr zusammen waren. Wenn Peter nicht gedrängt hätte, wäre es wahrscheinlich auch dann nicht zu dem Besuch bei seinen Eltern gekommen.
    Sein Vater erwies sich als zurückhaltender, geistig interessierter Mensch. Er scheute sich, ein Gespräch mit ihm anzufangen, weil er nicht so gebildet war. Peters Mutter scheute kein Gespräch. Sie war Chefsekretärin gewesen, verstand es, eine Unterhaltung zu führen. Sie behandelte ihn höflich, aber er bemerkte, dass sie ihn nicht ganz ernst nahm. Sie stellte ihm Fragen, so wie man sie einem Teenager stellen würde. Und sie vermied jede Frage, deren Antwort seine Zusammengehörigkeit mit Peter zum Ausdruck gebracht hätte. Sie sagte nicht einmal ›ihr‹, sondern sprach sie immer einzeln an. Als wäre er ein junger Bekannter von Peter, der zufällig mitgekommen war.
    Sie hatte Peter im ehemaligen Zimmer seines Bruders einquartiert und ihn unterm Dach. In der Nacht kam Peter zu ihm hochgeschlichen wie ein Schuljunge. Sie lagen in dem schmalen Bett in Peters ehemaligem Kinderzimmer und Peter erklärte ihm, dass es nicht an ihm läge. Dass seine Mutter bislang auf jeden Mann an seiner Seite so reagiert habe. Höchstens von seinem zweiten Freund war sie ein wenig beeindruckt gewesen, da sie eine CD von ihm besaß. Dann schliefen sie miteinander in dem kühlen engen Zimmer, zogen sich unter der Bettdecke aus. Das Haus war hellhörig. Also versuchten sie so leise wie möglich zu sein.
    Peter hat sich beruhigt und scheint nicht weiter darüber reden zu wollen. Vielleicht auch nicht zu können. Es schmerzt ihn, dass Peter noch zusätzlich Kummer bereitet wird.
    »Es tut mir leid«, sagt er leise, »Dafür kommt meine Mutter ja nächsten Monat zu uns.« Noch während er spricht, wird ihm klar, wie dumm diese Bemerkung ist. Er sucht nach einer Möglichkeit, die Aussage anders zu drehen, aber Peter lacht nur.
    »Ja, das ist auch netter«, sein Blick wird weich, »Ich mag deine Mutter wirklich gern.«
    »Sie dich auch.«
    Seine Mutter hatte sich gefreut, als er ihr erzählte, er hätte einen Freund. Als sie zu Besuch kam, wollte sie Peter unbedingt kennenlernen. Er beobachtete aus seinem Küchenfenster, wie sie mit Schwung aus ihrem Corsa stieg. Neben ihrer Tasche packte sie mehrere Tüten aus, die mit Sicherheit Dosen mit Kuchen, Braten und Obst enthielten. Sie war Kosmetikerin, aber in ihrer Freizeit gab sie leidenschaftlich gern Tupperpartys und ging regelmäßig zu den Weight Wachters. Wenn auch mit wenig Erfolg. Sie hatte einfach eine üppige weibliche Figur, die zu ihr passte.
    Während er sie beobachtete, wurde er ein bisschen nervös. Er hatte erst nach zwei Telefonaten Peters Alter erwähnt. Peter war vier Jahre jünger als seine Mutter und am Abend wollte er mit ihnen essen gehen. Aber er vergaß seine Nervosität, als er sie hereinließ und umarmte. Sie tranken Kaffee und tauschten sich über Neuigkeiten aus. Sie sprachen fast nie über seinen Vater, der sie verlassen hatte, als er vier war. Er war weit weggezogen, hatte schon lange eine neue Frau. Sie telefonierten selten und besuchten sich nie.
    Am Abend trafen sie Peter vor dem Restaurant und er begrüßte seine Mutter mit ausgesuchter Höflichkeit. Nach dem Essen hielt Peter seiner

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