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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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ihr in den Weg kam. In der Schneise der Verwüstung, die sie hinterließ, sprang ich über umgeworfene Stühle und wich Getränkelachen und Glasscherben aus, während ich hörte, wie sie ihr Schluchzen immer weniger unter Kontrolle hatte, wie es zu einem erschütterndem Heulen wurde, irgendwo hinter den Händen vor ihrem Gesicht. Lucy rannte, ein blinder, pinkfarbener Kugelblitz, eine Ein-Frau-Stampede, und bog im letzten Moment auf die Treppe zum Strand ein, allerdings nicht, ohne vorher Hannes’ Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
    Er rief ihren Namen, doch sie blieb nicht stehen, sie wurde nicht einmal langsamer. Sie polterte die Holzstufen hinunter, sprang in den Sand und rannte, rannte, rannte. Und Hannes hinterher, mit seinen langen, schlaksigen Beinen, der nichts anderes rief als immer wieder: »Lucy!«
    Je weiter sie sich entfernten, desto leiser wurde seine Stimme, und irgendwann verschluckte die Partymusik sie vollständig. Ich kam schwer atmend an der Bar zum Stehen, direkt neben Betty, die ihr eigenes und Hannes’ Getränk in der Hand hielt und abwechselnd an beiden Strohhalmen zog.
    »Hast du das gewusst?«, keuchte ich und zeigte auf die Tanzfläche, wo Ramon und Marco vergessen zu haben schienen, dass sie nicht allein waren auf dieser Welt. Oder dieser Party. Und da rief auch schon jemand »Get a room!«, aber die beiden machten keine Anstalten, sich ein Zimmer zu suchen. Leidenschaft lässt sich eben einfach nicht aufschieben. »Hast du das gewusst?!«, fragte ich Betty noch einmal, dieses Mal mit mehr Nachdruck.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Was gibt es denn da zu wissen? Kann doch jeder machen, worauf er Bock hat, oder nicht? Oder was?«
    Und das nicht nur im Urlaub, jaja, schon klar. Ganz meine Meinung, Marco und Ramon konnten eng tanzen und herumknutschen mit wem auch immer sie wollten, von mir aus auch gern miteinander. Aber darum ging es nicht. Ich wendete mich kopfschüttelnd Betty zu. »Mann, ich hab versucht, dich mit Marco zu verkuppeln! Wenn du gewusst hast, dass er eigentlich auf Jungs steht, warum hast du nichts gesagt?«
    Sie grinste. »Ich hab gedacht, du kommst selbst drauf. Außerdem ist das doch eh seine Sache, es dir zu erzählen, oder nicht? Geht mich doch nichts an.«
    Erschöpft atmete ich aus. Mir war zum Heulen. »Das ist so peinlich …«
    »Ach, Schätzelein, jetzt beruhig dich mal wieder. Ist doch alles tippitoppi. Der Marco hat endlich jemanden zum Knutschen, Hannes und Lucy spielen am Strand Fangen …«
    Ich sah sie fassungslos an. Das konnte nicht ihr Ernst sein. »Lucy ist am Ende, Betty!«
    »Genau richtig, um sie wieder in Hannes’ Arme zu treiben.«
    Ein zufriedenes Lächeln huschte über ihr Gesicht, und plötzlich erkannte ich eine Seite an Betty, die mir vorher nie aufgefallen war. Ich war mir nicht sicher, ob sie schon immer da gewesen war. Und ich war mir außerdem nicht sicher, ob sie mir gefiel. Wohl eher nicht. » Du steckst hinter all dem.«
    »Was meinst du mit stecken?«
    »Du hast Lucy mit Absicht nichts von Marco und Ramon gesagt. Obwohl du gemerkt hast, dass sie sich Hoffnungen gemacht hat, und wusstest, dass er gar kein Interesse an ihr hat. Sondern an Marco.«
    Betty hob abwehrend die Hände. »Um das mal klarzustellen: Ich wusste nicht, dass Ramon es auf unseren süßen Marco abgesehen hat. Ich wusste nur, dass es umgekehrt so ist. Und dass er nichts von Lucy wollte, war ja ziemlich deutlich zu sehen.« Ich erinnerte mich an den kurzen Moment auf dem Hof der Werkstatt am frühen Abend, als Ramon Lucys Annäherungsversuche komplett ignoriert hatte. Was Betty sagte, stimmte. »Ich dachte ja eigentlich, dass er über sie an Ana herankommen wollte, aber so ist es noch viel besser.« Sie lachte amüsiert und trank einen der beiden Drinks mit einem Schluck aus.
    »Du bist fies.«
    »Jetzt tu doch nicht so, als hätte ich absichtlich etwas dafür getan, dass es so kommt, wie es gekommen ist. Ich hab einfach nur die Klappe gehalten. Das ist alles.«
    »Ja.« Ich nickte gereizt. »Stimmt. Das ist alles. Die Klappe gehalten. So wie du mir auch nichts davon erzählt hast, dass Richard nach Lagos unterwegs ist.« Sie erwiderte nichts. Sie stellte nur das leere Glas hinter sich auf die Bar, wo es sofort weggeräumt wurde. Ich spürte die Wut in mir hochsteigen. »Er hat mich mit Felix auf der Straße erwischt, Betty. Ist es das, was du wolltest? Wolltest du alles kaputt machen?«
    Sie fuhr herum, sah aber weder wütend noch gereizt aus, sie lächelte bloß

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