Im Zweifel suedwaerts
und winkte mir von Weitem zu. Mit der linken Hand. Die rechte ruhte auf Ramons Oberschenkel. Der wiederum hatte einen Arm um die schwer auszumachende Taille unseres langhaarigen Reisebegleiters gelegt. Ein seltsames Paar, dachte ich, aber ein Beleg für eine der wenigen Lebensformeln, die es wirklich und wahrhaftig zu geben schien: Gegensätze zieh’n sich an. Und ergaben am Ende ein doch überraschend harmonisches Bild.
Ich ging die letzten Schritte auf den Van zu, begrüßte die Jungs mit einem Nicken und einem »Hallo« und stand neben Richard, der auf dem staubigen Boden saß. Ich wusste nicht, was ich mit ihm machen sollte. Wir hatten uns noch immer nicht wirklich berührt. Es hatte keine Umarmung gegeben, kein Streicheln, keinen Kuss. Ich fühlte Marcos Blick auf mir und den Druck, mit einer Geste der Vertrautheit zumindest den Anschein zu erwecken, dass zwischen mir und Richard noch nicht alles vorbei war.
Unbeholfen tätschelte ich seinen Kopf und sagte: »Na?«. Warum tat ich das? Es fühlte sich albern an.
Richard ging es offensichtlich nicht anders. Er sah zu mir hoch mit einem Gesicht, das deutlich ausdrückte, wie fragwürdig und unnötig er meine kleine Demonstration fand. Sehr fragwürdig und unnötig nämlich. Und er hatte ja recht. Eigentlich hatte sie nur noch deutlicher gemacht, dass wir beide komplett hilflos waren.
Das hatte auch Marco gemerkt. Er räusperte sich und klopfte Ramon liebevoll zweimal aufs Bein, bevor er aufstand und sagte: »Schade, dass ihr heute schon abreist. Das wäre bestimmt noch lustig geworden mit uns allen hier in Lagos.« Lustig? Das glaubte er ja wohl selbst nicht. »Seid ihr sicher, dass ihr nicht vielleicht noch ein paar Tage …?«
»Ja«, antworteten Richard und ich gleichzeitig.
Marco warf mir einen resignierten Blick zu. »War ja nur eine Frage.«
»Ich weiß«, sagte ich.
»Ich fahre euch gleich nach Faro zum Flughafen.«
»Danke«, sagte Richard.
»Tja!« Marco klatschte in die Hände. Dann wäre das ja jetzt auch geklärt. »Kaffee?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ja! Hier! Ich!« Betty kam barfuß die Straße entlanggetrottet. Ihre Sandalen hatte sie offensichtlich irgendwo verloren, denn sie trug sie nicht bei sich. Dafür hatte sie einen Kapuzenpullover an, den ich noch nie vorher an ihr gesehen hatte. Rot und mindestens drei Nummern zu groß für ihren schlanken Körper. Sie rief noch einmal entkräftet »Kaffee!«, bevor sie sich in den Staub neben Richard fallen ließ. Ihre Wimperntusche war verlaufen und hatte zwei kleine Halbmonde links und rechts unter ihren Augen gebildet.
»Heißer Boy?«, fragte ich sie.
Zur Antwort hielt sie eine Hand hoch, Daumen und Zeigefinger einen Kreis bildend. »Lucinda muss sich warm anziehen. Ich hole auf!«
Daran, dass er die Stirn runzelte, erkannte ich, dass Richard über die Bedeutung dieser Aussage nachdachte. Um das zu unterbinden, fragte ich schnell: »Hat die einer von euch gestern eigentlich noch gesehen?«
»Meinst du, bevor oder nachdem sie mit Hannes im Schlepptau in der Nacht verschwunden ist?«
»Danach, Betty.«
»Nö.«
»Hannes hat mir eine SMS geschickt.« Richard zog sein Handy aus der Tasche, wie um zu beweisen, dass er über die technischen Möglichkeiten verfügte, SMS zu empfangen. »Er schreibt, dass alles okay ist. Er hat mit Lucy im Hotel übernachtet.«
Betty und Marco ließen gleichzeitig ein vielsagendes »Oooh!« verlauten.
Ich musste entgegen allen unglücklichen Umständen lächeln. »Mir egal, was ihr sagt. Ihr beide passt einfach viel zu gut zueinander. Wie hätte ich da nicht versuchen sollen, euch zu verkuppeln?«
»Mach dir nichts draus.« Marcos große Hand klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. »Man kann ja auf unterschiedlichen Ebenen gut zusammenpassen.«
Betty nickte. »Wohl wahr.«
»Aber es gab so viele Anzeichen! Wie du zum Beispiel für Betty diesen Striptease auf dem Berg der Wunder hingelegt hast …«
Marco sah Betty fragend an, und sie rollte mit den Augen, um deutlich zu machen, dass ich komplett übertrieb. »Als du dein T -Shirt ausgezogen hast, meint sie.«
»Ei, mir war halt heiß!«
»Und als du an Bettys Po gesaugt hast?«
»Am Po gesaugt?!« Jetzt war auch Richard aufmerksam geworden. Und Ramon. Der zum Glück kaum etwas von dem verstand, worüber wir redeten. Trotzdem legte Marco ihm beschwichtigend eine Hand auf die Schulter und erklärte an Richard gewandt: »Betty hat sich auf eine Wespe gesetzt …«
»Ich Trottel!«, warf diese
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