Im Zweifel suedwaerts
wissen, weil ich einfach nicht zu den Menschen gehörte, die sich jemals wirklich sicher waren. Was ich aber wusste, war, dass Richard der Mann war, den ich liebte und dem zuliebe ich beschlossen hatte, dieses dämliche Prädikat abzuschaffen, ganz einfach, um zu sehen, was das Leben mit ihm bringen würde – die guten und die schlechten Dinge. Ich würde diesen blöden Ratschlag vergessen, dass man immer so hohe Erwartungen wie möglich haben sollte. Wir waren schließlich alle bloß Menschen, und Druck machte uns unglücklich. Wer hatte das überhaupt gesagt? Meine Mutter? Die Frau, die sich ein ganzes Hochzeitstortenstockwerk vor der Nase wegklauen ließ? Nicht nur das war ein Beleg dafür, dass es wohl noch lange dauern würde, bis aus ihr eine Oma Mathilde wurde.
Trotz aller neuen Lockerheit war ich allerdings nicht bereit, einfach so weiterzumachen wie bisher. Mich vertrösten zu lassen und gezwungenermaßen nur noch neben Richard her zu leben. So sollte keine Beziehung sein, und das würde mich nie glücklich machen, egal mit wem. Das musste geklärt werden. Jetzt. Mit Richard. Denn meine Versuche der letzten Wochen, unsere Beziehungsprobleme ausschließlich mit mir selbst ausmachen zu wollen, waren nicht bloß zum Scheitern verurteilt gewesen, sie waren eine echte Schnapsidee. Zu einer Beziehung gehörten zwei. Zu ihrer Rettung auch.
Diese Gedanken machte ich mir, und ich nahm mir dafür meine Zeit, so wie Richard sich seine Zeit nahm, um nachzudenken. Vermutlich über ähnliche Dinge. Vermutlich und hoffentlich.
Ich beschloss, beim Einfachsten anzufangen. »Ich hätte dich nie betrogen, Richard.«
»Konjunktiv?«
»Ich hab’s ja nicht getan.«
»Na ja. Ist eine Definitionssache, würde ich sagen.«
»Ist immer eine Definitionssache, oder?« Ich überlegte, wo ich diesbezüglich die Grenze zog und wieso ich so überzeugt davon war, dass ich im Grunde nichts Falsches getan hatte. »Alles Körperliche, das zwischen Felix und mir passiert ist, war mir unangenehm. Ich wollte es nicht.« Richard sah nicht überzeugt aus. Ich wäre es an seiner Stelle wahrscheinlich auch nicht gewesen. »Du warst nicht dabei. Und selbst wenn du dabei gewesen wärst, wärst du nicht ich gewesen. Du hättest nicht gewusst, was ich gedacht oder gefühlt habe.«
»Und was hast du gedacht und gefühlt?«
Ich seufzte. »Ich will nicht lügen. Als ich Felix wiedertraf, war er so zuvorkommend zu mir, so aufmerksam. Er hat mir gezeigt, dass ich ihm wichtig bin und dass er mich begehrt. Na ja, oder er hat so getan, und ich bin darauf reingefallen … Aber das ist jetzt gar nicht so wichtig. Wichtig ist, dass ich anfing, ihn mit dir zu vergleichen. Und du hast ziemlich schlecht abgeschnitten.«
Richard atmete hörbar aus. »Tja, also das beruhigt mich jetzt eher nicht so …«
»Du warst die ganze Zeit dabei, will ich sagen. In meinem Kopf. Manchmal war ich trotzig, weil ich mich von dir schlecht behandelt gefühlt habe. Dann dachte ich, du verdienst den Schmerz, und ich verdiene etwas Besseres. Aber dann wurde ich auch unsicher, weil ich nicht wusste, ob ich nicht gerade das Beste, was ich je hatte, aufs Spiel setzte. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Und irgendwie auch Angst.«
Es war ihm anzusehen, dass er es schwierig fand, sich meine Erklärung anzuhören. Dass er sich zwar fest vorgenommen hatte, dieses Gespräch auf eine erwachsene Art zu führen, dass das, was er zu hören bekam, ihn aber derartig verletzte, dass er am liebsten wie ein Kind reagiert hätte. Mit Trotz und Beleidigtsein. Er biss sich auf die Unterlippe und betrachtete die Tischplatte. »Ein schlechtes Gewissen?«, sagte er. »Na, wunderbar.«
»Ich habe von allein gemerkt, dass ich Felix nicht will«, fuhr ich fort. »Es klingt bescheuert, aber ich glaube, dass ich diese Dummheit machen musste, um zu erkennen, dass ich uns noch nicht aufgeben will.«
Aus Richards Kehle kam ein sarkastisches Lachen. »Und darüber soll ich jetzt froh sein? Wie würdest du dich fühlen, wenn du herausfinden würdest, dass ich hinter deinem Rücken Händchen haltend mit anderen Frauen durch die Nacht ziehe, mich von ihnen küssen lasse und mit ihnen ein Bett teile?«
»Beschissen.«
»Ja. Genau.« Er hob den Kopf und fuhr sich durch die Haare. »Es ist gut, dass du jetzt restlos von unserer Beziehung überzeugt bist. Und deine Methode mag ja funktionieren. Dann aber ganz sicher nur für dich. Ich hab mich noch nie so verraten und verletzt gefühlt wie auf dieser Straße
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