Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
Vom Netzwerk:
würde mich einfach über mich selber ärgern, weil ich mir kein Bahn- oder Flugticket gekauft habe.«
    »Anhalter können sich keine Bahn- oder Flugtickets leisten. Das ist ja der Punkt.«
    Ich seufzte genervt. »Wir können jedem Anhalter, den wir sehen, gern ein riesiges Stück Torte schenken, Betty. Aber wir nehmen niemanden mit. Das ist zu gefährlich. Außerdem haben wir ja überhaupt keinen Platz.«
    Sie runzelte die Stirn. »Hä? Keinen Platz? Wir sind zwei Leute in einem VW -Bus …«
    »Drei.«
    »Nee. Zwei. Du. Und ich.«
    »Und Lucy.«
    Der Schiedsrichter hatte anscheinend eine falsche Entscheidung getroffen, denn die anwesenden Gäste stöhnten und fluchten durcheinander, einer schlug mit der Faust auf den Tisch. Betty dachte angestrengt nach. »Ich erinnere mich gar nicht daran, dass wir Lucy auch mitnehmen wollten …«
    »Das ist neu. Veränderte Umstände. Ich weiß es selbst erst seit etwa einer Stunde.«
    Es war nicht ganz klar, ob Bettys Nicken nun bedeutete, dass sie verstand oder dass sie einverstanden war. Vielleicht hatte sie auch bloß eine Verspannung im Nacken. »Welche veränderten Umstände sind das denn?«
    »Das will dir Lucy vielleicht lieber selbst erklären.« Ich machte eine Kopfbewegung zum Fenster, an dem diese gerade vorbeiging, in einer pinkfarbenen Latzhose und weißen Turnschuhen. Ihr blonder Pferdeschwanz wippte fröhlich auf und ab, ein harter Kontrast zu ihrem traurigen Gesicht und den verheulten Augen. »Was auch immer du tust«, wies ich Betty an, »sag ihr nicht, dass sie beschissen aussieht.«
    Sie hob abwehrend die Hände. »Aber so etwas würde ich doch niemals tun!«
    Lucy erschien in der Eingangstür und schaute sich suchend um. Sie sah verloren aus, klein und in sich zusammen gesunken, die Arme vor dem Körper verschränkt wie ein Schutzschild. Als sich genau in diesem Moment eine Torchance bot und der Laden von Anfeuerungsrufen erfüllt wurde, zuckte sie zusammen wie ein scheues, dickliches Reh. Betty und ich riefen ihren Namen, sie entdeckte uns, und ein wenig Erleichterung machte sich auf ihrem vom Weinen angeschwollenen Gesicht breit.
    »Es ist nur eine wilde Vermutung. Vollkommen aus der Luft gegriffen. Und bitte sag mir jetzt, dass ich falschliege …« Betty hatte sich verschwörerisch zu mir herübergebeugt und flüsterte mir ins Ohr: »Hat Hannes mit Lucy Schluss gemacht?«
    Ich nickte und winkte weiter zu Lucy hinüber, die sich mühsam zu unserem Tisch durchkämpfte. »Fast richtig. Es ist andersrum. Lucy hat sich von Hannes getrennt.«
    »Na.« Betty lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. »Das sind ja beste Voraussetzungen für einen fröhlichen Urlaub mit Freunden. Wird sicher ein Riesenspaß.«

3
    Der Teil mit dem Waxing
    DAPHNES MIXTAPE
    Clor – Love + Pain
    Es war alles ein bisschen anders gelaufen als gedacht.
    Ursprünglich hatte ich für den Vorabend unserer Abfahrt ein Essen für alle Freunde in unserer Küche geplant. Mit Sekt und Räucherlachs. Für Betty, Mo, Sky, Lucy, Hannes, Richard und mich selbst. Das klappte aber nicht.
    Unter anderem weil Mo bereits mit Max im Gepäck und den Großeltern im Schlepptau im Zwei-Auto-Konvoi auf dem Weg zur Ostsee war. Betty fühlte sich deswegen um einen letzten Abend mit ihrem Kind betrogen und hatte schlechte Laune.
    Lucy torpedierte meinen Plan, ganz nebenbei eine Aussprache zwischen ihr und ihrem Exfreund zu ermöglichen, indem sie sich weigerte, unsere Wohnung oder auch nur die Straße, in der wir lebten, zu betreten, solange sich dort Hannes, der freundliche, aus gegebenem Anlass jedoch äußerst deprimierte Hausgeist, aufhielt. Und auch wenn dieser angeboten hatte, die Räumlichkeiten für die Dauer des Essens zu verlassen, so war das natürlich keine Lösung, die ich akzeptieren konnte. Sollte das jetzt ewig so weitergehen? Es war unmöglich für mich, mich für oder gegen einen der beiden zu entscheiden. Schlimm genug, wenn man nach einer Trennung ausdiskutieren musste, wer die gemeinsame Wohnung behalten durfte. Oder wer denn nun die Beasty-Boys- LP mit in den gemeinsamen Haushalt gebracht hatte. Richtig haarig wurde es dann spätestens bei der Frage, wie man mit dem gemeinsamen Freundeskreis verfahren sollte. Ich fühlte mich ein bisschen wie damals, mit zehn, als Scheidungskind. Dabei bestand das ganze Dilemma erst seit einer knappen Woche.
    Und als wäre es nicht schon traurig genug, auf Hannes und Lucy verzichten zu müssen, ließ mich auch noch

Weitere Kostenlose Bücher