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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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sich Leila so? Arbeitet sie gut?«, fragte Tante Filiz beiläufig, als würden wir uns schon ewig kennen und hätten uns gerade zufällig an der Käsetheke getroffen. Nichts in ihrer Stimme ließ darauf schließen, dass sie gerade mit einer völlig Fremden plauderte, während sie heißes, klebriges Wachs auf der Innenseite ihrer Schenkel verteilte.
    In Anbetracht dieser Tatsache gingen mir ganz andere Dinge durch den Kopf als die Arbeitsleistungen meiner Aushilfe. Zum Beispiel, wie sehr es wehtun würde, wenn Filiz diesen Wachsstreifen später wieder abzog. Ich fragte vorsichtshalber nach. »Tut das sehr weh?«
    »Das Abziehen?«
    Ich nickte.
    Filiz wiegte den Kopf. »Das ist ganz unterschiedlich. Bei manchen mehr, bei anderen weniger.« Ich betete, dass ich zu den anderen gehörte. »Im Endeffekt reiße ich dir an einer sehr empfindlichen Stelle deine Haare mit der Wurzel aus. Wenn du das nicht merken würdest, wäre das ein Grund zur Sorge. Aber wie heißt es?« Sie lächelte mich sanft an, aufmunternd, aber auch irgendwie mitleidig. »Wer schön sein will, muss leiden. Bereit?«
    Ich nickte wieder. »Nein.«
    »Wieso gehst du denn so komisch?«, fragte Richard.
    Es war halb eins. Das sagte jedenfalls die antike Uhr an der schiefen, fleckigen grauen Küchenwand. Eigentlich lag ich schon im Bett und war nur noch einmal aufgestanden, um mir ein Glas Wasser zu holen. Weil ich nicht schlafen konnte, weil der Schmerz prickelte. Ich trug Richards weite Pyjamahose. Die schubberte nicht so. Und ja, ich watschelte. Dafür gab es keinen geringeren Grund als den, dass ich mir einbildete, es würde zwischen meinen Beinen brennen. Ein echtes Feuer. Wie zur Waldbrandsaison in Kalifornien. Wie hätte ich ahnen sollen, dass meine Haut derart empfindlich reagieren würde? Wie gesagt, ich hatte so etwas ja noch nie vorher gemacht.
    »Ich war beim Waxen.«
    Richard war gerade erst von der Arbeit gekommen. Er hatte sich weder Schuhe noch Jacke ausgezogen und war stattdessen direkt in die Küche an den Kühlschrank gegangen, um, mal wieder, Orangensaft direkt aus der Flasche zu trinken. Ich sagte mir, dass es kleinlich war, sich darüber zu ärgern. Und ärgerte mich trotzdem, dafür aber still und heimlich, während ich demonstrativ ein Glas für mein Wasser aus dem Schrank holte.
    Er trank geräuschvoll mehrere Schlucke, setzte ab und atmete schwer aus. »Du warst wo?«
    »Beim Waxen.« Und weil er mich nur verständnislos ansah, während er den Verschluss auf die Saftflasche schraubte, schob ich zur Erklärung hinterher: »Haarentfernung. In der Bikinizone.«
    »Ich weiß, was Waxing ist, Daphne.«
    »Echt?« Das überraschte mich ein bisschen.
    Leicht empört verschränkte Richard die Arme vor seiner Brust. »Was denkst du denn? Ich leb doch nicht hinterm Mond. Ich kapier nur nicht, wieso du das gemacht hast.«
    »Na, ist doch klar.«
    »Du bist unter die Masochisten gegangen?«
    »Nein, Richard«, erklärte ich, langsam und logisch, so wie Männer das angeblich mögen: »Ich fahre am Samstag in den Urlaub. Und ich finde es unästhetisch, wenn links und rechts und oben und überhaupt ein Busch aus meinem Bikinihöschen wächst.«
    »Aha.« Die Flasche wurde an ihren Platz zurückgestellt, und irgendwie wurde es kälter in der Küche, was vielleicht am offenen Kühlschrank lag. Oder daran, dass sich etwas anderes abgekühlt hatte. Mein Freund.
    »Aha, was?«
    »Na ja, interessant, dass du das im Urlaub unästhetisch findest. Und sonst nicht.«
    Ich stand an der Spüle und fühlte mich ziemlich dumm mit diesen viel zu großen Hosen und dem pavianarschroten Schritt darunter. »Was soll das denn jetzt?«
    »Ich mein ja nur. Für mich hast du das noch nie gemacht. Aber Hauptsache die Kerle am Strand haben was zu gucken, oder wie?«
    »Bist du etwa eifersüchtig?« Ich versuchte zu lachen, weil ich hoffte, er würde dann mitlachen und merken, wie albern das alles war. »Das hat doch nichts mit anderen Kerlen zu tun …«
    »Aber mit uns hat es vielleicht etwas zu tun.« Richard lachte leider nicht. Er sah sogar ziemlich ernst aus. »Ich kann mich nicht daran erinnern, wann du dir das letzte Mal für mich Mühe gegeben hast.«
    Und so wurde aus dem schwelenden, diffusen Gefühl des »Etwas stimmt hier nicht«, in dessen Zeichen die letzten Tage und Wochen gestanden hatten, etwas Handfestes. Jetzt war es also so weit: Ein Streit entzündet sich an meinem feuerroten Intimbereich. Das ultimative Waxing-Gate. Die Haarwurzel allen Übels. Wie

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