Im Zweifel suedwaerts
Sky hängen, der zwar vorgab, untröstlich zu sein, weil er den geselligen (na ja) Abend verpassen würde, an diesem Umstand jedoch beim besten Willen nichts ändern konnte, da er sich quasi bereits auf dem Weg zu einem kleinen Goa-Festival befand. Er musste bloß noch schnell seine neue Freundin abholen, bevor er die Stadt verließ. Sie hieß Tabea und war Apothekerin von Beruf, was Sky als glückliche Fügung betrachtete.
Und apropos glückliche Fügung: Wahrscheinlich war es das Beste für alle, dass dieses Essen nicht stattfand. Denn selbst wenn alle Gäste erschienen und nett zueinander gewesen wären: dafür, dass am Tisch trotzdem keine gute Stimmung herrschte, hätten Richard und ich garantiert gesorgt. Darin waren wir gut, vor allem jetzt, da sich die Fronten zwischen uns zunehmend verhärtet hatten. Weil die Küchenwand nach einer Woche noch immer fleckig und die Milch alle war, ich mir im dunklen Flur etwa ein Dutzend neue blaue Flecken geholt hatte, und weil ich mich über all diese Dinge nicht direkt bei Richard beschweren konnte, weil er so gut wie nie da war und wir uns allerhöchstens mal zufällig über den Weg liefen. Und dann war da noch die Sache mit dem Waxing …
Im Grunde war Leila Schuld. Leila, meine einzige Angestellte in Schimanski’s Antiquitätenladen. Am Montag hatte sie mich gefragt, ob ich schon einen Termin gemacht hätte.
»Was für einen Termin?«, hatte ich gefragt.
»Na, fürs Waxing.« Und weil ich sie nur verständnislos anstarrte, eine alte Schneekugel in der einen Hand und ein Staubtuch in der anderen, erklärte sie genauer, was sie meinte, und zwar ganz langsam. »Haar-ent-fernung? Du fährst doch an den Strand, oder?«
Ich nickte. »Ja.«
»Und du trägst einen Bikini?«
Ich nickte wieder.
Sie zog ihre Augenbrauen hoch, aufmunternd, als würde das dem Groschen beim Fallen helfen.
Und das tat er auch. »Aaaach soooo!« Ich rieb mit dem Tuch an einer imaginären Verschmutzung auf der gläsernen Kuppel der Schneekugel herum. »Nein, ich hab keinen Termin gemacht.«
»Na, dann wird es aber Zeit.«
Damit mochte sie recht haben. Ich wusste es nicht. Denn: »Ich hab so was noch nie gemacht.«
Leila sah ehrlich schockiert aus. Sie hatte dieses Gesicht, das viel besser als Worte ausdrücken konnte, was sie meinte. Wenn sie nicht gerade Kaugummi kaute. Sie hätte Schauspielerin werden sollen, nicht Teilzeitkraft in einem Antiquitätenladen. »Du hast noch nie die … die … äh …« Sie ließ ihre Hände, während sie nach dem richtigen Ausdruck suchte, v-förmig an der Innenseite ihrer Schenkel hinuntergleiten. Professionelle Scharadistin wäre eine weitere Karriereoption für sie gewesen. Aber dafür war es ja nie zu spät.
»Bikinizone?«, kam ich ihr zu Hilfe.
Sie sah erleichtert aus. »Ja, genau. Ich wollte jetzt nicht Muschi sagen.« Erschrocken schlug sie sich mit der Hand vor den Mund. »Jetzt hab ich’s doch gesagt.«
»Macht nichts. Ich bin alt genug.« Allerdings war ich mir nicht sicher, ob ich als Führungskraft mit meiner neunzehnjährigen Angestellten über solche Dinge reden sollte. Wahrscheinlich nicht. »Kannst du übrigens mal im Lager nachsehen, ob wir noch Luftpolsterfolie haben?«, versuchte ich, von dem Thema abzulenken. »Vielleicht müssen wir welche nachbestellen, ich weiß grad gar nicht …«
»Meine Tante kann das machen.«
»Luftpolsterfolie nachbestellen?«
»Deine Bikinizone enthaaren.« Ich verdrehte die Augen hilfesuchend gen Ladendecke, während Leila sich über den massiven Schreibtisch aus dem neunzehnten Jahrhundert lehnte, den wir als Kassentresen benutzen, und nach dem Geschäftstelefon griff. »Meine Tante Filiz hat einen Schönheitssalon, die machen das wirklich gut da. Ich ruf sie mal schnell an und sag ihr, dass ich einen Notfall für sie habe.«
Bisher hatte ich meine Bikinizone nicht als Notfall betrachtet, aber bitte, Leila war ohnehin nicht aufzuhalten.
Also lag ich zwei Tage später nach Ladenschluss für meinen Geschmack viel zu nackt und mit angewinkelten Beinen auf Tante Filiz’ Behandlungsliege und fragte mich wieder und wieder, warum ich nicht einfach abgelehnt oder den Termin hatte ausfallen lassen.
Und auch Filiz stellte Fragen. Sie erkundigte sich nach meinem Urlaubsziel, meiner Reisebegleitung und der Farbe meines Bikinis. Wahrscheinlich um herauszufinden, ob sich das Rot meiner wunden Haut später damit beißen würde. In der Luft lag der angenehme, süße Geruch von warmem Wachs.
»Und wie macht
Weitere Kostenlose Bücher