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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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Mund. »Soße?«
    »Richard, wir sind langweilig.« Meine Stimme klang ernst wie die eines Politikers, der den Notstand ausruft.
    Aber auf seinem Gesicht machte sich bloß ein Lächeln breit. Er ließ sich entspannt in die Sofakissen sinken und öffnete seine Arme für mich. »Ja, und ist es nicht herrlich? Man trifft nicht oft einen Menschen, mit dem sich Langweiligsein so gut anfühlt.«
    Ich runzelte die Stirn. So gesehen …
    Richards Arme streckten sich mir entgegen. »Komm schon, Daphne, lass uns langweilig sein. Sonst geht mein Puls noch hoch.«
    Ich legte mich auf seine Brust und ließ mich drücken. Sein Herz schlug ruhig und gleichmäßig.
    »Der kann mich mal. Das ist eine Art Abkürzung. Wenn man das ganz sagt, dann heißt es: Der kann mich mal am Arsch lecken, aber ich sag nicht so gern Arsch.«
    »Oder lecken.«
    »Mann! Betty!«
    Betty lachte und richtete ihren Blick wieder auf die Straße, während Lucy mit ihrem Deutschunterricht fortfuhr.
    »Sie erzählt dem blonden Polen gerade von Hannes«, erklärte Betty mir die Situation, als ich sie verwirrt ansah.
    »Das erklärt einiges.« Ich streckte meine Arme und Beine von mir, bis es knackte, und warf einen Blick nach hinten. Viktor schlief mit offenem Mund, an die Buswand gelehnt, Lucy saß zwischen ihm und Karol, gestikulierte wild mit den Armen und strich sich die Haare aus der Stirn, während der blonde Pole aufmerksam nickte und einmal auch die Augenbrauen hob.
    »Hat sie ihm gesagt, warum mit Hannes Schluss ist?«, fragte ich Betty.
    »Bisher hat sie es damit begründet, dass er ein gemeiner Typ ist. Was nicht stimmen kann. Soweit ich weiß, ist Hannes ungefähr so gemein wie Biene Maja. Aber mehr Details hat Lucy bisher nicht verraten. Schade eigentlich. Ich bin äußerst neugierig, was diese Sache betrifft.« Sie sah mich von der Seite an. »Weißt du mehr, Schätzelein? Ich wette, ja.«
    »Vielleicht. Aber ich rede nicht darüber.« Wenn Lucy selbst es nicht tat, würde ich diese Sex-Problematik ganz sicher nicht auf den Tisch bringen. Nicht vor Betty. Nicht seit sie mich über Stunden mit der Sexfalle aufgezogen hatte.
    Aber es fiel mir schwer, nichts zu sagen, weil ich wirklich gern mit ihr darüber geredet hätte. Ich hasste Geheimnisse. Die wogen so viel. Und was Lucy betraf, schleppte ich jetzt sogar schon zwei mit mir herum. Den wahren Grund für ihre Trennung von Hannes und das, was ich beim Durchblättern ihres Poesiealbums über ihre traurige Jugend erfahren hatte. Und das Komplizierte daran war: Sie wusste in beiden Fällen nicht, dass ich es wusste, und ich wusste nicht, ob ich es wissen durfte und ob es ihr helfen würde zu wissen, dass ich es wusste, oder ob sie es lieber nicht wusste, weil das alles nur noch schlimmer machen würde. Nichtwissen wird echt unterschätzt.
    »Nichtwissen ist der wahre Segen, Betty, glaub mir.«
    »O Gott, so schlimm? Jetzt will ich es erst recht wissen.«
    »Weißt du, was ich gern wüsste?«
    »Raus damit, Schätzelein.«
    »Was da geht. Zwischen Lucy und Karol, meine ich.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Keine Spur. Der will nur so lang wie möglich hier mitfahren und Torte essen. Ganz schön schlau, der Bursche.« Betty nickte anerkennend und wurde dann ein bisschen nachdenklich. »Ich hoffe, er bricht Lucinda nicht das Herz.«
    Meine Hand fiel mit einem dumpfen Knall auf das Armaturenbrett. »Na also, da hast du’s!«
    Betty zuckte erschrocken zusammen. »Was hab ich?«
    »Genau deswegen wollte ich keine Anhalter mitnehmen.« Ich schnalzte ungehalten mit der Zunge. »Die machen nur Ärger. Die nutzen uns aus und essen unsere Vorräte. Ich sag dir eins, wenn nachher die Blutwurst alle ist oder Lucy weint, eins von beiden, dann kann ich für nichts garantieren …« Aufgebracht kramte ich im Handschuhfach herum und brachte eine Kassette zum Vorschein. »Darf ich jetzt endlich auch mal wieder meine Musik hören, oder was?«
    Betty lachte und drückte auf Eject .
    »Dass man immer erst laut werden muss«, beschwerte ich mich noch. Dann lachte ich auch.
    »Ich dachte, wir schaffen es heute bis hinter Paris. Mindestens.«
    »Und ich dachte, wir wären im Urlaub und nicht auf der Flucht.«
    »Betty, so was sagen sonst nur sechzigjährige Hausmeister …«
    »Echt? Ich hab den Spruch letzte Woche im Supermarkt hinter der Fleischtheke hängen sehen. Also, auf so einem laminierten Zettel und natürlich nicht mit Urlaub sondern mit Arbeit, Schätzelein, nä? Ist klar.«
    »Ja. Klar.«
    »Apropos Fleischtheke

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