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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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Schlafplätze betrifft, meine ich.«
    »Ach so!« Karol lächelte mich erleichtert an, den ganzen unverbrauchten Charme eines Anfang Zwanzigjährigen auf seinem faltenlosen, rosigen Gesicht. »Wir haben das Zelt.«
    Das Zelt. Na, dann. Dann war ja jetzt alles klar.
    Wir hatten den Bus schon vor dem Essen auf einem großen Parkplatz direkt an der Strandpromenade abgestellt, mit Blick aufs Meer und ein paar Holzbuden hinter adrett bepflanzten Blumenkübeln. Auf der großen, asphaltierten Fläche wuchsen ein paar penibel gestutzte Laubbäumchen, und es standen hier auch noch einige Autos, aber keine anderen Wohnwagen oder Busse. Wir waren ganz allein, nur der kalte Nachtwind von der Seeseite pfiff laut über die ungeschützte Fläche und rüttelte am Blech des VW -Busses.
    Lucy verschwand irgendwann, um sich das Zelt anzusehen, und kam nicht wieder. Betty und ich richteten im Schein von Taschen- und Parkplatzlampen unser Bett her, und mich überkam eine gewisse Aufregung in Anbetracht meiner ersten Nacht in unserem rollenden Zuhause. Im Gegensatz zu mir war Betty nach ihrer Übernachtung in Remscheid bereits ein alter Hase, was die nötigen Abläufe und Handgriffe betraf. Sie bezog die Matratze und verteilte Schlafsäcke und Kissen, sodass wir es bequem hatten. Ich machte ein paar unbeholfene Ansätze, ihr zu helfen, fühlte mich aber die meiste Zeit fehl am Platz und beschränkte mich am Ende darauf, die Taschenlampe zu halten und über das nachzudenken, was Betty bei unserem gemeinsamen Abendessen zu mir gesagt hatte. Und je mehr ich darüber nachdachte, umso stiller und abwesender wurde ich. Etwas Ekliges, Kaltes machte sich in meinem Bauch breit und reckte und streckte sich, bis es in jeden Winkel reichte. Ich legte mich in das Bett und starrte an die Decke, bis Betty die Lampe ausgemacht und sich neben mich in die Kissen gewühlt hatte.
    »Mecker ich wirklich so viel?«, fragte ich in die Dunkelheit.
    Neben mir raschelte Bettys Schlafsack, dann war es einen Moment ruhig, bevor sie fragte: »Wie sag ich dir das, ohne dass du eingeschnappt bist?«
    »Also, ja.« Ich war wirklich nicht eingeschnappt. Es klang nur so.
    »Weißt du«, begann Betty, »es will mir nur einfach nicht in den Kopf, wieso du nicht glücklich sein kannst. Wir fahren zusammen mit dem Bus in den Süden, wie wir das wollten …«
    »Ja.«
    »… und in Hamburg wartet Richard. Der liebt dich.« Sie rutschte heran und drückte mich an sich, was sich schön und beengend gleichzeitig anfühlte. »Und ich liebe dich auch«, murmelte sie in mein Haar.
    »Wirklich?«
    »Klar. Immer. Egal wie mies du drauf bist.« Sie seufzte und ließ mich los. »Aber es tut mir so leid für dich, dass du das hier nicht genießen kannst. Ich meine, du hast doch verdammt noch mal alles, was du immer wolltest. Ist doch so.«
    Ja. So war es. Ich hatte all das, was ich immer gewollt hatte. Doch jetzt, da ich es hatte, fehlte wieder etwas. Die Gewissheit, dass es auch das Richtige war.

7
    Der Teil mit dem Seebarsch
    BETTYS MIXTAPE
    The Clash – Police & Thieves
    Wenn man morgens als Allererstes Wellenrauschen wahrnimmt und den Geruch von Meer in der Nase hat, dann ist das Urlaub. Ich bemühte mich, dieses Gefühl so lange wie möglich festzuhalten, bevor ich schließlich bereit war, den Tag mit allen Sinnen zu begrüßen und die Augen aufzumachen. Was ich sah, erschütterte mein Traumbild etwas. Das Innere eines VW -Busses, hinter der Scheibe ein großer grauer Parkplatz, und als irgendwo in der näheren Umgebung ein Motor angelassen wurde, war die Brandung kaum noch zu hören. Also beschloss ich, noch ein fünfminütiges Nickerchen einzulegen, in dessen Anschluss ich neu und besser in den Tag starten würde.
    Ich drehte mich auf die andere Seite, um meinen Plan sofort in die Tat umzusetzen, und stellte irritiert fest, dass ich allein war. Keine Betty in Sicht. Ein Blick auf den Boden hinter den Vordersitzen legte nahe, dass sie mich allein im Bus zurückgelassen hatte – ihre Turnschuhe waren weg. Ich setzte mich auf der Matratze auf und machte »Ts!«. Die erste gemeinsame Nacht unserer Reise, und sie verließ mich einfach so im Morgengrauen, während ich noch schlief – ohne ein Wort des Abschieds, ohne auch nur einen Zettel auf dem Kopfkissen zu hinterlassen. Ungefähr so musste sich der Morgen nach einem fiesen One-Night-Stand anfühlen.
    Das Display meines Handys verriet mir, dass es Viertel nach neun war und niemand angerufen hatte. Draußen kreischte eine Möwe.

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