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Im Zweifel suedwaerts

Im Zweifel suedwaerts

Titel: Im Zweifel suedwaerts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katarina Fischer
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in der Stimme des anderen zu erkennen. Ich blieb dabei: In solch tiefen Tälern der Liebe sollte man nicht zum Telefon greifen. Da konnte man genauso gut gleich Schluss machen. Und obwohl ich das wusste, konnte ich einen Kommentar dazu nicht verkneifen. »Dann sag es auch nicht so.«
    Richard überging das. »Hör zu, kannst du Lucy vielleicht überreden, Hannes mal anzurufen? Damit er nicht mehr die Wände hochgeht?«
    Ich lachte trocken. »Tut mir leid, aber ich glaube, das wird nichts. Er macht sich auf jeden Fall vollkommen umsonst Sorgen, das kannst du ihm sagen. Ich meine … Wir sind in Belgien …« Just in diesem Moment kam Lucy aus dem Toilettenhaus, strahlend, mit fröhlich hüpfendem blondem Pferdeschwanz, und warf dem großen blonden Polen neben sich einen Blick zu, der durchaus als verliebt klassifiziert werden konnte. Das alles wurde nicht besser dadurch, dass sich ein jugendlicher polnischer Arm lässig um ihre Schulter legte. Wenn Hannes das jetzt sehen könnte … »Und Belgien«, fuhr ich leicht abgelenkt fort, »ist nun nicht unbedingt für seine heißen Südländer bekannt.« Ich räusperte mich.
    »Ich werde das so weitergeben.« Richard klang sehr seriös, als er das sagte. »Das ist auch für mich gut zu wissen.«
    »Ach ja?«
    »Klar. Ich vertraue dir zwar zu hundert Prozent …«
    »Aber?«
    Er lachte. »Ach, Baby … Eine Klassefrau wie du? Da ist immer ein bisschen Vorsicht angesagt.«
    Ich wartete, ob er noch etwas sagen würde, aber dieses Mal hatte er wohl keinen Witz gemacht.
    Wie von Betty vorausgesagt, aßen wir unter einem bewölkten Abendhimmel in einem kleinen italienischen Restaurant in der Nähe des Hafens von Boulogne-sur-Mer Spaghetti Bolognese. In der Luft hing der Geruch von Algen und Knoblauch, und ich bestellte Rotwein und aß mit einem gewissen Trotz das Baguette, das zu unseren Pastagerichten serviert wurde. Ich wollte ja nicht kleinlich sein, aber sicherlich hätte es auch Spaß gemacht, an unserem ersten Abend in Frankreich etwas Französisches zu essen. Weinbergschnecken. Oder Quiche. Spaghetti gab es doch schon jeden zweiten Tag zu Hause.
    »Du hast echt immer was zu meckern, Schätzelein.«
    »Was ist denn so falsch daran, landestypisch essen zu wollen? In Remscheid gab es ja schließlich auch Wurst.«
    Lucy saß neben Karol und ließ ihn von ihrem Teller essen. Sie hatte ein weißes Kleid mit einem rosafarbenen floralen Muster angezogen und trug die Haare offen. Obwohl wir den ganzen Tag im Bus gesessen hatten, glühten ihre Wangen, als hätte sie sich stundenlang in der direkten Sonne aufgehalten. Ich war hin- und hergerissen zwischen einer gewissen Erleichterung, weil ich auf eine derart schnelle Erholung vom Festival der Tränen am Vorabend nicht zu hoffen gewagt hätte, und einer seltsamen Bitterkeit. Hannes war schließlich einer meiner besten Freunde, und irgendwie ging mir das hier, stellvertretend für ihn, alles ein bisschen zu schnell. Zumal immer noch nicht geklärt war, worum es sich bei diesem »das hier« überhaupt handelte. Es kam mir jedenfalls verdächtig vor. Und auch ein bisschen surreal.
    »Ähm … Karol?«
    Unser hochgewachsener Anhalter löste den Blick von Lucys Ausschnitt und sah mich fragend an. »Was ist denn, Daphne?« Das erste »S« klang weich und schlingerig, als wäre er betrunken, das zweite zischte in meinen Ohren.
    »Ich … äh …« Ich wusste, dass ich mich mit dem, was ich als Nächstes sagen wollte, nicht unbedingt beliebt machen würde. Aber diese Reise hatte ich mit Betty und später auch Lucy gemeinsam unternehmen wollen. Ich hatte nicht direkt ein Problem mit Karol und Viktor, aber ihre Anwesenheit störte unseren Freundinnenurlaub, so empfand ich das jedenfalls. Und deswegen wollte ich lieber ohne sie weiterfahren. »Sollen wir euch vielleicht nach dem Essen noch bei einer Raststätte absetzen oder so, damit ihr quasi … äh … umsteigt?«
    »Ich verstehe nicht … ›umsteigt‹?«
    »Ja, Schätzelein, das versteh ich jetzt aber auch irgendwie nicht.«
    »Willst du Karol und Viktor etwa aussetzen?« Lucy ließ entgeistert ihre Gabel sinken.
    Wenigstens ließ Viktor mich in Ruhe, kaute stumm seine Pizza und starrte auf irgendeinen unsichtbaren Punkt über unseren Köpfen. In diesem Moment war er mir von all meinen Mitreisenden am sympathischsten.
    »Na, ich weiß nicht, wie ihr euch das gedacht habt«, versuchte ich es mit logischer Argumentation, »aber der Bus ist mit drei Personen eigentlich voll. Was die

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