Im Zweifel suedwaerts
Sobald ich zu Hause bin, zerteil ich das Ding und frier die Portionen ein. Dann sind wir komplett unabhängig von diesen überteuerten Autobahnraststätten.«
»Wir werden so fett sein, dass uns unsere Bikinis nicht mehr passen.«
»Herrlich, nicht? Wie wir dann fett und nackt in der Sonne brutzeln werden. Wie zwei Bratwürste.«
Es gab unterschiedliche Gründe dafür, warum weder Betty noch ich in den letzten zwei Jahren in den Urlaub gefahren waren. In Bettys Fall lag es an ihrem Kind. In meinem war zu einem kleinen Teil mein Job schuld, zum größten Teil aber war der Grund, dass es für meinen Freund offensichtlich unmöglich war, sich für eine oder zwei Wochen aus den Fängen seiner Arbeit zu befreien und mit mir zu verreisen. Da ich das aber unbedingt wollte, mit Richard gemeinsam Urlaub machen, blieb ich, genau wie Betty, in Hamburg, wo die letzten beiden und auch der laufende Sommer allerhöchstens die Bezeichnung »schlechter Witz« verdient hatten, und wir beide aufgrund des ständigen Vitamin-D-Mangels ernsthaft befürchten mussten, entweder eine schlimme Knochenkrankheit oder eine handfeste Depression zu entwickeln. Sonne, Strand und der Soundtrack von Wellenrauschen waren das, was unsere verregneten Ichs brauchten. Also beschlossen wir das Naheliegende: Wir würden Urlaub machen. Gemeinsam. Seltsam, dass keine von uns schon früher auf die Idee gekommen war. Immerhin waren wir jetzt schon seit zwölf Jahren Freundinnen und hatten ansonsten so ziemlich alles miteinander erlebt. Von alkoholgeschwängerten Kieznächten an den Kickertischen oder Tresen dieser Stadt, an denen Betty bediente und ich konsumierte, über Höhen und Tiefen in unser beider Liebesleben bis hin zur Geburt von Max vor zwei Jahren – Betty und ich kannten einander in so gut wie jeder Lebenslage. Aber gemeinsam das Land verlassen hatten wir noch nie.
Aber lieber spät als nie, lautet das Motto, und jetzt waren wir beide voller Vorfreude und davon überzeugt, dass dieser gemeinsame Urlaub die beste Idee aller Zeiten war. Nach Monaten pausenlosen Schuftens als Geschäftsführerin in Schimanskis Antiquitätenladen hatte ich mir endlich ein paar Wochen freischaufeln können und mich, auch wenn es mir schwerfiel, von dem Gedanken eines romantischen Pärchenurlaubs mit meinem Freund verabschiedet. Betty war ohnehin zum Zwecke der Vater-Sohn-Beziehungs-Vertiefung verpflichtet, Max mit seinem Vater Mo und den Großeltern für einen Monat in die Sommerfrische an die Nordsee zu entlassen. Sie fürchtete den Trennungsschmerz und war froh, die Wochen nicht zu Hause verbringen zu müssen, wo sie zweifellos die meiste Zeit in Max’ Zimmer gesessen und heulend mit seiner Duplo-Eisenbahn gespielt hätte. Noch vor drei Jahren war eine sturmfreie Bude für sie kein Grund zum Weinen gewesen, aber die Zeiten änderten sich. Wir wurden älter. Manche von uns wurden Mütter, manche fetter … Irgendwie war es für mich dieses Mal nicht so einfach wie sonst gewesen, einen schönen, schmeichelhaften Bikini für diese Reise zu finden. Und jetzt, da ich endlich einen gefunden und gekauft hatte, hatte ich nicht vor, nur um Beweismittel verschwinden zu lassen, so viel Torte in mich hineinzustopfen, bis mir diese mühsam ausgewählten Quadratzentimeter Stoff nicht mehr passten.
Der Urlaub selbst stand unter der Überschrift: Der Weg ist das Ziel. Wir wollten ganz entspannt reisen, uns nicht nach Flugplänen richten und Hotels suchen müssen. Wir waren im Alltag schon genug im Stress. Dem wollten wir entfliehen. Und wenn es eine Person gab, die wusste, wie man komplett stressfrei durchs Leben kam, dann war es Sky, seines Zeichens Freigeist, Erbe eines Schwammimperiums, Freund und ehemaliger Mitbewohner von Richard, jetzt unser Vermieter und stolzer Besitzer eines postgelb leuchtenden VW -Busses, mit dem er die Welt bereiste. Um Erleuchtung zu finden. Und um mehrere Wochen am Stück mit Gleichgesinnten an einem schönen Strand abzuhängen, zu kiffen und zu philosophieren. War das dann schon die Erleuchtung? Nicht einmal Sky wusste es so genau. Sicher aber war, dass Stress in keiner Weise Teil seines Lebensstils war. Und da er ein guter Freund war und ohnehin der Meinung, dass Betty und ich uns mal ein bisschen lockermachen sollten, sagte er sofort Ja, als ich ihn bat, uns seinen Bus für ein paar Wochen zu leihen.
»Wir wollen auch gar nicht so weit weg. Und nur drei Wochen.«
»Daphne, fahrt so weit ihr wollt und bleibt so lang wie nötig. Hauptsache, du
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