Im Zweifel suedwaerts
Schätzelein, ihr hattet doch ein nettes Gespräch.«
»Na ja, zumindest bis er mir erzählt hat, dass er jetzt freigeno…«
»Ja, genau, und das könntest du mir jetzt vielleicht noch mal genauer erklären, also worüber du dich eigentlich so aufregst. Dann macht Richard eben einen kleinen Urlaub ohne dich, ist doch okay. Er hat seinen Spaß, wir haben unseren Spaß …«
»Spaß?«, fragte ich und betrachtete die rumpelnde Waschmaschine.
»Okay, die meiste Zeit haben wir unseren Spaß. Wenn wir nicht gerade Flöhe im Bus haben.«
Lucy wimmerte und zog ihre Knie unters Kinn.
Betty seufzte. »Du wirst sehen, in zwei Wochen werden alle ihren Spaß gehabt haben, und dann treffen wir uns in Hamburg wieder und erzählen uns gegenseitig von unseren Abenteuern. Ist doch super.«
Ich wünschte, ich hätte das so sehen können wie Betty. Konnte ich aber nicht. Ich fühlte mich von Richard verarscht. Verraten. Ungeliebt. Ich machte »pff«, kratzte mich am Hinterkopf und fragte mich, ob ich auch Flöhe hatte. Eine kleine Welle des Ekels sorgte dafür, dass ich mich unwillkürlich schütteln musste.
»Ach, Schätzelein.« Betty platzierte eine fertig gedrehte Zigarette in ihren Tabakbeutel und legte mir einen Arm um die Schulter. »Jetzt mal Butter bei die Fische: erst die Sexfalle, jetzt diese Urlaubsangelegenheit … Du machst immer eine Riesensache aus nichts. Und wenn das dein Beziehungsstil sein soll, dann machst du’s nicht mehr lang, dann geht dir die Puste aus, bevor du ›Ja, ich will‹ sagen kannst, das kann ich dir versprechen.«
»Aber ich muss doch den Mund aufmachen, wenn mich etwas stört.«
»Wenn dir danach ist? Ja klar. Regel Nummer eins, jeder soll immer machen, was er will. Aber bevor du den Mund aufmachst, kannst du dich ja auch einfach mal so aus Bock fragen, was eigentlich schlimmer ist: das, was dich stört, oder das, was kommt, nachdem du den Mund aufgemacht hast. Du hättest gestern auch einfach sagen können: ›Ja, cool, genieß deine freie Zeit. Hau rein!‹ Dann machst du eben ein anderes Mal mit Richard Urlaub. Das musst du ja sowieso, oder? Denn jetzt bist du mit uns hier, und er hängt zu Hause cool ab, so isses nun mal. Und daran hat das ganze Drama gestern rein gar nix geändert.«
»Dafür hat man Freunde!«, unterbrach ich sie bestürzt, »damit man sich noch dümmer vorkommt als ohnehin schon.«
»Du bist nicht dumm, Schätzelein. Du bist einfach ein Mensch mit sehr konkreten Vorstellungen. Und du wirst immer nervöser, je mehr die Realität von dem abweicht, was du dir vorgestellt hast.«
»Quatsch …«, begann ich.
»Kein Quatsch. Ich glaub, der Satz, den ich in den letzten Tagen am häufigsten von die gehört habe, war: ›So hab ich mir das nicht vorgestellt.‹ Wir wissen beide, dass du dir bloß selbst das Leben schwermachst, weil alles immer so sein soll, wie du glaubst, dass es am besten ist. Du kannst einfach nicht lockerlassen. Ich versuch schon seit Jahren, das aus dir rauszukriegen, aber du bist wie ein Rottweiler, der sich in einen Kinderarm verbissen hat.« Sie schüttelte betrübt den Kopf.
Schmollend zog jetzt auch ich wie Lucy meine Knie unters Kinn, und als das kleine Mädchen mir von der Eingangstür aus zuwinkte, winkte ich nicht zurück. »Warum denkst du eigentlich immer, dass du alles besser weißt als ich?«
»Weiß ich ja vielleicht gar nicht.« Betty nahm den Arm von meiner Schulter. »Aber ich hab weniger Stress mit dem Leben als du, das immerhin weiß ich. Ich erwarte eben nicht so viel von anderen Leuten. Ich sorg selbst dafür, dass es mir gut geht und mach das nicht von anderen abhängig so wie du. Ich versuch, die Dinge ganz entspannt auf mich zukommen zu lassen und mir eben nicht zu viel vorzustellen. Und wenn dann mal etwas nicht so ist, wie ich mir das ausnahmsweise vorgestellt habe, bricht für mich nicht die Welt zusammen. Aber du … Du wirst immer gleich sauer.« Sie hielt mir eine ihrer selbst gedrehten Zigaretten unter die Nase. »Rauchen?«
Vielleicht taten wir Lissabon unrecht, ganz bestimmt sogar, aber wir hatten genug von der heißen Stadt, dem Flohzirkus und den lauten Straßen. Wir wollten so schnell wie möglich wieder Meer sehen und frische Luft atmen. Also hieß es, nachdem Marco uns drei beim Waschsalon aufgegabelt hatte, adeus, Lisboa!
Es war trotz allem ein schöner Tag. Die Sonne schien und brachte Autos, Bäume und Häuser zum Strahlen, die Menschen auf den Straßen sahen entspannt und zufrieden aus, und der Bus
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