Im Zweifel suedwaerts
beschäftigen. Ich war zu gefangen in meinen Gedanken an Richard und unser nächtliches Telefonat. Ich konnte mich nicht entscheiden, was ich schlimmer fand: die Tatsache, dass er seinen Urlaub offensichtlich lieber ohne mich verbrachte, oder die Situation, die unser Streit heraufbeschworen hatte. Ich hier, er dort, das letzte Wort »Arschloch« und die Unmöglichkeit einzuschätzen, was das mit uns gemacht hatte. War jetzt Schluss? Wollte ich das?
Ich zwang mich zu erkunden, wie es mir mit dem Gedanken ging, und ja, der Verlauf des Telefonats, unser Streit, die Enttäuschung über das, was Richard getan hatte, das alles tat weh. Wenn ich mir jetzt aber vorstellte, dass er sich von mir trennen wollte, weil ich ihn Arschloch genannt hatte, und weil er ja auch kein Idiot war und genauso wie ich gemerkt haben musste, dass es in letzter Zeit nicht mehr schön mit uns war … wenn ich mir das vorstellte, war ich seltsamerweise nicht am Boden zerstört wie sonst immer, sondern erleichtert. Als dürfte ich nach einem langen Arbeitstag endlich nach Hause gehen. Gut möglich, dass ich unter einer Art Schock stand und dass ich, sobald dieser vorbei und es zwischen mir und Richard wirklich aus war, so schlimm leiden würde wie noch nie zuvor. Betty sagte, ich hätte vor ihm noch nie eine echte Beziehung gehabt. Bedeutete das dann nicht auch, dass ich keine Vorstellung davon hatte, wie sich eine echte Trennung anfühlte?
Ich war in meinem ganzen Leben noch nie in einem Waschsalon gewesen und stellte fest, dass das ein Fehler gewesen war. Waschsalons waren der perfekte Ort, um mal gründlich und ohne viel Ablenkung über Dinge nachzudenken.
Wir hatten Stunden gebraucht, um diesen einen zu finden. In Lissabon, so schien es, hatte sich das Geschäftskonzept noch nicht wirklich durchgesetzt, was daran liegen konnte, dass die Leute hier einfach keine Waschsalons brauchten. Wir wären ja auch prima ohne ausgekommen. Wenn Lucy nicht diese verdammte Katze gestreichelt hätte.
Betreten und mit rot geränderten Augen saß sie still am äußersten Ende der Wartebank, zwei freie Plätze zwischen ihr und Betty, starrte auf den gefliesten Fußboden und kratzte sich unablässig im Bereich ihrer Taille an der Stelle, an der wir heute Morgen die Bissstellen gefunden hatten. Vier an der Zahl. Der Floh hatte ganze Arbeit geleistet. Als klar wurde, was genau Lucy da gebissen hatte, war sie ausgerastet. Sie hatte geschrien und geweint und sich vor sich selbst geekelt. Marco, der an einer schnellen Lösung interessiert war, schon allein damit Lucy aufhörte zu heulen, hatte zunächst einmal versucht, die um sich greifende Panik in den Griff zu bekommen, indem er erklärte, dass der Floh eigentlich viel lieber Katzen biss und bestimmt schon wieder von Lucy heruntergehüpft war. Das beruhigte die ehemalige Flohwirtin allerdings kein Stück, also stellte er kurzerhand einen Schlachtplan zur Bekämpfung des Befalls auf: Der Bus sollte ausgesaugt und alle Textilien gewaschen werden.
Und so saßen wir Mädchen jetzt hier vor der surrenden, rumpelnden Industriewaschmaschine und sahen unserem Bettzeug beim Schwimmen zu, während Marco mit dem gelben VW -Bus zur nächsten Tankstelle gefahren war, um mit einem extrastarken Staubsauger den Innenraum von den kleinen Parasiten zu befreien. Jeden Winkel würde er säubern, das hatte er versprochen, als er uns beim Waschsalon abgesetzt hatte.
»Tja, Leude«, sagte Betty, die die Wartezeit damit überbrückte, Zigaretten auf Vorrat zu drehen. »Schade eigentlich. Wir hätten heute auch schön ein bisschen Sightseeing in Lissabon machen können.« Sie sah Lucy an und dann mich und zuckte mit den Schultern. »Aber hätte, hätte, hätte, nä?«
»Ich hätte Richard einfach nicht anrufen sollen.«
»Wie gesagt: Hätte, hätte, hä…«
»Ich weiß gar nicht, was plötzlich in mich gefahren ist. Ich war total … rollig.« Ein besseres Wort fiel mir nicht ein.
Aber Betty verstand. »Klarer Fall von Hormonüberfall, Schätzelein. Du hast Marco umarmt und den Männerschweiß aufgesogen«, sie atmete zur Demonstration tief durch die Nase ein, als wäre Männerschweiß ihre liebste Duftnuance, was theoretisch tatsächlich der Fall sein konnte, »und dann haben deine Geruchssensoren an dein Hirn gefunkt: ›Achtung, Mann!‹ oder ›Was ist eigentlich mit Sex?‹ oder so. Und dann ging’s ab.«
»Ja.« Ich nickte bitter. »Scheiße.«
»Dann hast du Richard angerufen, und das war doch total richtig,
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