Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)
Vorrang.“ Sie strich sich nachdenklich eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht, während ihr besorgter Blick von einem Verletzten zum anderen glitt. „Einige Eurer Männer leiden an Fieber. Ich kann nur hoffen, dass es von den vernachlässigten Verletzungen stammt und nicht Schlimmeres bedeutet. Wir werden sie getrennt von den anderen Verwundeten halten, bis eine Ansteckungsgefahr ausgeschlossen werden kann.“
Lautes Schnarchen und gelegentliches Stöhnen erfüllten einige Stunden später die Halle. Die Talgkerzen waren weit heruntergebrannt und zeugten davon, dass die Nacht bereits weit vorangeschritten war. In den riesigen Kaminen prasselte nur mehr eine schwache Glut und tauchte den Raum in ein angenehm rötliches Licht.
Die Atmosphäre hätte so behaglich und friedvoll sein können – wenn Ranulf de Bretaux nicht gewesen wäre.
Valandra stemmte wütend die Hände in die Hüften. Sie war so erschöpft, dass sie sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Nachdem die Damen eine nach der anderen die Flucht ergriffen hatten, war sie gezwungen gewesen, die Wunden der Krieger allein zu versorgen.
Praktisch veranlagt, wie sie war, hatte sie diese Gelegenheit auch gleich genutzt, um die Verwundeten auszusondern, die Anzeichen von Fieber zeigten. Alle hatten sich bereitwillig und dankbar von ihr untersuchen lassen. Alle bis auf einen!
Natürlich hatte sich Ranulf de Bretaux wieder einmal querstellen müssen. Der Kerl hatte sich strikt geweigert, ihr seine Verletzungen zu zeigen.
Mit missmutig zusammengepressten Lippen und in die Seiten gestemmten Händen ragte er wie ein Fels vor ihr auf. Unbezwingbar, stur und ungemein Nerven zermürbend in seiner Schweigsamkeit.
Seine abweisende Haltung stellte eine sonderbare Herausforderung dar, die Valandra trotz ihrer bleiernen Müdigkeit nicht übersehen konnte. Seine Provokation war Absicht, da war sie sich sicher. Er grollte ihr noch immer, weil sie das Gespräch abgebrochen hatte. Vermutlich war das seine Art, ihr zu zeigen, dass er hier der Herr war.
Sturer Mistkerl , wenn du dich da mal bloß nicht irrst . Wie konnte er auch nur eine Sekunde lang annehmen, sie würde freiwillig all das aufgeben, was sie sich so hart erkämpft hatte? Niemals! Weder heute noch sonst irgendwann würde sie ihre Autorität der seinen unterordnen, und dies hier war die beste Gelegenheit, ihm ihre Entschlossenheit zu zeigen.
„Benehmt Euch nicht wie ein störrisches Kind, Mylord“, zischte sie ihn an.
„Ich werde Eure Wunden untersuchen, ob es Euch nun passt oder nicht. Also zieht diese unleidige Angelegenheit nicht unnötig in die Länge und setzt Euch hin!“
Sie wandte sich an Kasim. „Wo ist er verletzt?“
„Eine Streitaxt hat seinen Schädel spalten wollen. Der Helm war hinüber, aber gegen Ranulfs sturen Schädel konnte sie nichts ausrichten.“
„Das glaube ich gern“, knurrte sie zynisch.
„Verschwinde!“, fuhr Ranulf Kasim warnend an.
„Außerdem haben seine Rippen einiges abbekommen.“
„Nur ein, zwei Kratzer“, brummte Ranulf übellaunig. Es gefiel ihm nicht, wenn um seine Person solches Aufheben gemacht wurde. Er konnte schließlich für sich selbst sorgen. Seit jeher hatte er seine Wunden eigens versorgt. Deshalb sah er auch nicht ein, weshalb die kleine Kratzbürste so hartnäckig an ihrem Vorhaben festhielt.
„Davon werde ich mich selbst überzeugen. Nun setzt Euch endlich.“
„Tut besser, was sie sagt“, mischte sich Owen amüsiert ein. „Lady Valandra ist hartnäckiger als ein Terrier, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat.“ Er strich sich angelegentlich über den buschigen Bart, um sein breites Grinsen zu verbergen, bevor er viel sagend mit den Augenbrauen zuckte. „Glaubt mir, ich weiß, wovon ich rede!“
Valandra warf ihm einen empörten Blick zu.
„Also wirklich, Owen! Anstatt dich über mich lustig zu machen, könntest du mir ruhig zur Hand gehen. Ein wenig Unterstützung wäre nicht schlecht.“
„Aber unbedingt, Mylady“, antwortete Owen sogleich. Das Grinsen war gänzlich aus seinem Gesicht verschwunden, und er wirkte todernst. Valandra kannte ihren bulligen Hauptmann jedoch gut genug, um zu wissen, was das leise Funkeln in seinen gutmütigen Augen zu bedeuten hatte.
Sie wurde nicht enttäuscht.
Owen trat nahe an sie heran und blickte sich verschwörerisch um.
„Ich habe bereits einen Plan“, erklärte er mit gedämpfter Stimme.
„Ihr lenkt ihn ab. Derweil schlage ich ihn zu Boden, und wenn er sich zu wehren
Weitere Kostenlose Bücher