Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)
weich und einladend an, dass sie beinahe enttäuscht war, als sie die Wunde fand.
„Sie ist bereits sehr gut verheilt. Bestimmt werdet Ihr nicht mehr lange an Unannehmlichkeiten zu leiden haben.“
Ihre Worte klangen wie Hohn in seinen Ohren. Keine Unannehmlichkeiten? Himmel noch mal, er litt gerade unter einer überaus mächtigen Unannehmlichkeit, die sich protestierend gegen seine plötzlich zu engen Beinkleider presste.
„Das freut mich zu hören“, knurrte er und erhob sich mit einem Ruck.
Er benötigte dringend frische Luft.
Kapitel 6
Der Mond war kaum mehr als eine schmale, silberne Sichel an einem sternenlosen Himmelszelt, als Ranulf bedächtig an die Mauer der Brustwehr trat und gedankenverloren in die Nacht hinausspähte. In der Ferne heulte ein Wolf sein einsames Lied, ansonsten lag alles friedlich und stumm da. Der eisige Wind fühlte sich wie Balsam auf seiner erhitzten Haut an.
„Verdammt“, fluchte er leise und wünschte sich, die heftigen Böen würden die Erinnerung an jene sanften Hände und den dezenten Rosenduft hinwegfegen. „Das hat mir gerade noch gefehlt.“
Sie hatte ihn erregt, und dieser Umstand gefiel ihm ganz und gar nicht. Solange er zurückdenken konnte, war er stets stolz auf seine Selbstbeherrschung gewesen. Sowohl das Verlangen als auch den Schmerz hielt er seit Jahren unter eiserner Kontrolle und erlaubte sich nur äußerst selten, seinen Gefühlen nachzugeben. Schon als Kind hatte er gelernt, dass die eigenen Gefühle das Einzige waren, was er tatsächlich kontrollieren konnte, und nur strenge Selbstdisziplin hatte ihn zu dem überragenden Krieger gemacht, der er heute war.
Es missfiel ihm zutiefst, dass ein starrköpfiges kleines Biest in ihm Gefühle weckte, die er sich nicht leisten wollte und auch nicht leisten konnte.
Mitleid, redete er sich entschlossen ein. Diese Erklärung gefiel ihm. Oui, es war nichts als Mitleid für eine halsstarrige junge Frau, die sich abmühte, um ihren Untertanen ein sicheres Zuhause zu geben. Ein Zuhause, dass ihr selbst von einer boshaften Stiefmutter und deren Tochter verwehrt wurde.
Und Ärger, beschloss er weiter. Seit er hier war, stellte sie ein andauerndes Ärgernis für ihn dar. Allein ihr Anblick brachte ihn in Rage. Die herausfordernde Haltung, die sie ihm gegenüber an den Tag legte, konnte ihn gar zur Weissglut treiben.
War es da nicht logisch, dass er in irgendeiner Weise auf sie reagierte? Erwürgen konnte er sie ja schlecht.
Ranulf stemmte die mächtigen Hände auf den feuchtkalten Stein der Mauer und verfluchte das Schicksal, das ihm wieder einmal hämisch ins Gesicht lachte. Nicht nur, dass er verdammt war, hier auszuharren, bis Lord Lamont genesen war, nein, er musste auch gleich noch die Vormundschaft für eines der stursten und herrschsüchtigsten Frauenzimmer aufgedrückt bekommen, das auf schottischem Boden wandelte.
Und eines wusste er mit absoluter Gewissheit: Diese kleine Kratzbürste würde niemals einsehen, dass es einer Frau nicht zustand, Männerarbeit zu verrichten. Ebenso wenig, wie sie sich selbst eingestehen würde, dass Frauen zu schwach und zu zimperlich waren und ganz entschieden zu wenig Autorität besaßen, um eine Burg zu führen. Dies war schließlich ein Naturgesetz und hatte nicht einmal etwas mit seiner persönlichen Meinung zu tun.
Jede andere Frau würde ihm auf den Knien danken, dass er gewillt war, ihr die schwere Bürde abzunehmen. Jede, nur Valandra Lamont nicht.
Dieses Biest!
Ranulf fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Verdammt, seine Kopfhaut prickelte noch immer von ihren sanften Berührungen.
„Du gibst dir große Mühe, damit Lady Valandra dich fürchtet.“
Kasim trat neben ihn und fügte nach einer kleinen Pause hinzu: „Ich frage mich, weshalb du das tust.“
Es dauerte einige Augenblicke, bis Ranulf wusste, wovon Kasim sprach.
„Unsinn. Ich habe ihr lediglich erklärt, dass ich von jetzt an das Kommando für die Männer trage. Dass ich keine Einmischungen ihrerseits dulde, ist wohl verständlich.“
Sie schwiegen eine Weile, bis Ranulf die Stirn furchte. „Was hältst du von dieser Burg? Ich meine, von den Leuten?“
Kasim überlegte lange. „Hier herrschen sehr viel Hass und Missgunst. Mir scheint, Lady Valandra führt kein einfaches Leben. Die Burgbewohner sind ihr zwar alle sehr zugetan, doch das ist gewiss nur ein geringer Trost, wenn man auf Ablehnung in der eigenen Familie stößt.“
„Vermutlich ist sie nicht ganz unschuldig an dieser
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