Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)
tragischen Tod seiner geliebten Esther hatte er sich gezwungen gesehen, erneut zu heiraten, damit Val nicht ohne Mutter aufwachsen musste. Aber er hätte keine schlechtere Wahl treffen können. Eleanora mochte zwar von atemberaubender Schönheit sein, doch ihr Innerstes war von Hinterhältigkeit und Missgunst zerfressen. Ihre gemeinsame Tochter Dalvina schien denselben verdorbenen Charakter zu entwickeln.
Seine Brust zog sich schmerzlich zusammen, als er an Val dachte. Er hatte sein erstgeborenes Kind zu lange mit diesen gehässigen Weibsbildern allein gelassen.
„Ich möchte, dass du als Vals Vormund nach Walkmoor gehst.“
Als er erkannte, dass Ranulf sich erneut weigern wollte, fügte er bitter hinzu: „Sieh es einfach so: Ich habe dir das Leben gerettet, und nun rettest du mein Eigentum. Das ist nur gerecht.“
Alles in Ranulf sträubte sich dagegen, diese Aufgabe zu übernehmen.
Schlussendlich siegte jedoch sein Ehrgefühl. Ob es ihm gefiel oder nicht, er war es diesem Mann schuldig. So erhob er sich und erklärte: „In Ordnung. Ich werde mit meinen Männern nach Schottland reisen, um nach dem Rechten zu sehen. Ich bringe Eurem Sohn Vorräte und sorge für eine ausreichende Befestigung der Burg, doch wenn alles erledigt ist, ziehe ich weiter.“
James lehnte sich erleichtert auf die Pritsche zurück. „Ich danke dir, Ranulf de Bretaux.“
Er schaute dem jungen Ritter nachdenklich nach, als dieser mit ärgerlichen Schritten das Zelt verließ. Irgendetwas an Ranulfs Verhalten hatte James davor gewarnt, ihm die Wahrheit über Val zu erzählen.
„Priester, ich möchte, dass Ihr für mich einen Brief aufsetzt“, bat James entschlossen, und ein kleines Lächeln umspielte seine trockenen Lippen.
Wie gern wäre er dabei, wenn Ranulf de Bretaux Bekanntschaft mit Valandra schloss, seiner heiß geliebten und unendlich sturen Tochter.
Kapitel 1
Schottland, im März 1220
Dicke graue Wolkenbänke verdunkelten den Frühlingshimmel und verwandelten die karge Landschaft von Walkmoor in einen kalten, unwirtlichen Ort.
Valandra Lamont hüllte sich enger in ihr wollenes Schultertuch, um sich vor dem eisigen Wind zu schützen, der erbarmungslos an ihren Haaren und Kleidern zerrte. Sie stand hoch oben über dem Burgtor an der Brustwehr und schaute dem dahingaloppierenden Reitertrupp mit gemischten Gefühlen nach. Die Art, wie die feindlichen Krieger davonpreschten, ließ deutlich deren Wut erkennen.
Die Gefahr war gebannt, doch Valandra empfand nur einen Hauch von Erleichterung. Es wollte ihr einfach nicht gelingen, das nagende Gefühl von Gefahr abzuschütteln.
Owen McKinnon trat neben sie an die Mauer.
„Das wird ein Nachspiel haben“, erklärte er in seiner vertraut brummigen Art. Mit dem dichten, dunkelroten Haar, dem buschigen Vollbart und seiner imposanten Statur glich er einem grimmigen Bären, doch er hatte ein sanftes Gemüt und ein edles Herz.
Owen stand bereits seit mehr als vierzig Lenzen als Hauptmann im Dienste der Lamonts, und Valandra liebte ihn wie einen Onkel. Er gehörte zu den wenigen Menschen, denen sie rückhaltlos vertraute, und sie schätzte seine Meinung sehr.
„Ich weiß, Owen“, nickte sie nun, ohne die Reiter aus den Augen zu lassen.
Noch immer brodelte der Zorn in ihr. „Die Arroganz dieses Kerls ist wirklich unglaublich! Wie kann er auch nur eine Sekunde lang glauben, ich würde ihm erneut Gastfreundschaft anbieten, nachdem er bei seinem letzten Besuch meine Stiefmutter entführen wollte?“
„Aye, da seht Ihr es wieder. Arroganz ist noch lange keine Garantie für Intelligenz.“
Dem konnte sie nur beipflichten.
„Dennoch, McGregor wird diese Beleidigung nicht ungesühnt auf sich sitzen lassen.“
Valandra strich sich nachdenklich eine kastanienbraune Locke aus der Stirn. „Du weißt, dass ich nicht anders handeln konnte. Wenn McGregor auch nur einen Fuß in die Burg gesetzt hätte, wäre Walkmoor Castle für immer verloren gewesen.“
Owen nickte mit ärgerlich zusammengepressten Lippen. „In der Tat. Der Kerl macht keinen Hehl daraus, dass er sich bereits als neuer Herrn von Walkmoor betrachtet.“
„Nur über meine Leiche“, stieß Valandra leidenschaftlich hervor und reckte trotzig das schmale Kinn vor. „Mein Vater lebt - gleichgültig, was die Lords auch sagen mögen! Papa wird zurückkehren, und ich werde bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, bevor ich seinen Besitz einem dahergelaufenen Gauner wie diesem McGregor überlasse!“
Sie meinte es ernst
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