Imagica
von Ergebenheit und Liebe.«
»Es ist widerlich und entsetzlich.«
»O ja, das auch. Aber die Vorstellung, nicht mehr an ihrem Leben teilzuhaben, war einfach... unerträglich für mich.«
Estabrooks Stimme klang nun brüchig; seine Worte erstickten in Tränen. »Sie bedeutete soviel für mich...«
Gentle dachte an das letzte kurze Gespräch mit Judith, an den seltsamen Telefonanruf aus New York. Hatte sie zu jenem Zeitpunkt gewußt, daß ihr Gefahr drohte? Und wenn nicht -
wußte sie es jetzt? Mein Gott, lebt sie überhaupt noch? Furcht kroch in ihm empor, und er packte Estabrook am Kragen.
»Wollten Sie mich deshalb sprechen? Um mir mitzuteilen, daß Judith tot ist?«
»Nein. Nein.« Estabrook versuchte, Gentles Hand von seinem Mantelkragen zu lösen. »Ich habe jenen Mann beauftragt, doch jetzt möchte ich, daß er nichts unternimmt...«
»Das entspricht auch meinem Wunsch.« Gentle ließ den Arm sinken.
»Aber in diesem Zusammenhang gibt es ein Problem.«
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Estabrook griff in die Tasche und holte einen Zettel hervor.
Das Papier war zerknittert und erweckte den Eindruck, schon einmal weggeworfen worden zu sein.
»Dies bekam ich vorgestern abend«, fuhr er fort. »Eine Mitteilung von dem Mann, der mich zu dem Killer führte. Er scheint betrunken gewesen zu sein, als er dies schrieb - oder er stand unter der Wirkung von Drogen. Offenbar rechnete er damit, nicht mehr zu leben, wenn ich Gelegenheit bekäme, diese Zeilen zu lesen. Vielleicht ist er tatsächlich tot. Er hat sich nicht mehr mit mir in Verbindung gesetzt, und ich kenne keine andere Möglichkeit, einen Kontakt mit dem Mörder herzustellen.«
»Wo haben Sie sich mit jenem Mann getroffen?«
»Er kam zu mir.«
»Und der Killer?«
»Die Begegnung fand irgendwo südlich des Flusses statt.
Der genaue Ort ist mir unbekannt. Es war dunkel, und ich hatte schon unterwegs die Orientierung verloren. Außerdem: Bestimmt ist er nicht mehr dort. Er wollte nach Amerika.«
»Warnen Sie Judith«, schlug Gentle vor.
»Ich habe es versucht, aber sie nimmt meine Anrufe nicht entgegen. Sie ist jetzt wieder mit jemandem zusammen, der sie vom Rest der Welt fernhalten möchte - so wie ich damals.
Meine Briefe und Telegramme werden ungeöffnet zurückgeschickt. Aber wer auch immer der Neue sein mag: Er kann Judith nicht schützen. Der Killer, ein Mann namens Pie...«
»Handelt es sich dabei um einen Decknamen?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Estabrook. »Ich weiß nur eines: Mir ist ein schrecklicher Fehler unterlaufen, und Sie müssen mir helfen, die Sache wieder in Ordnung zu bringen. Sie müssen. Ich halte Pie für außerordentlich gefährlich.«
»Wie kommen Sie darauf, daß Judith bereit sein könnte, mit mir zu reden - obwohl sie mit Ihnen nichts mehr zu tun haben 68
will?«
»Nun, es gibt keine Garantie. Aber Sie sind jünger und besser in Form. Darüber hinaus verfügen Sie über gewisse...
kriminelle Erfahrungen. Anders ausgedrückt: Sie bringen bessere Voraussetzungen mit, um sich zwischen Judith und Pie zu stellen. Ich gebe Ihnen Geld für den Killer. Bezahlen Sie ihn. Und wenn Sie selbst etwas brauchen... Nennen Sie mir einfach den benötigten Betrag - ich bin reich. Warnen Sie Judith; sorgen Sie dafür, daß sie heimkehrt. Ich möchte mein Gewissen nicht mit ihrem Tod belasten.«
»Fällt Ihnen das nicht ein bißchen spät ein?«
»Ich habe bereits zugegeben, daß mir ein Fehler unterlief.
Und ich versuche nun, ihn zu korrigieren. Sind Sie einverstanden?«
Estabrook streifte den einen Lederhandschuh ab, um Zacharias die Hand zu schütteln.
»Geben Sie mir den Brief des Kontaktmanns«, sagte Gentle.
»Er enthält nur sinnloses Gefasel«, entgegnete Estabrook.
»Ob sinnloses Gefasel oder nicht: Wenn der Mann wirklich tot ist und Judith ebenfalls stirbt, so stellt der Brief den einzigen Anhaltspunkt dar. Entweder überlassen Sie ihn mir, oder ich lehne jede Vereinbarung mit Ihnen ab.«
Estabrook griff erneut in die Tasche, als wollte er den Zettel noch einmal hervorholen, doch dann zögerte er. Ganz offensichtlich widerstrebte es ihm sehr, den Brief auszuhändigen -
obgleich er betont hatte, sich unbedingt ein reines Gewissen bewahren zu wollen.
»Dachte ich mir«, sagte Gentle. »Sie möchten in der Lage sein, mich als den Schuldigen zu präsentieren, falls irgend etwas schiefgeht. Tja, Teuerster, da muß ich Sie enttäuschen.«
Er drehte sich um und schritt den Hang hinunter. Estabrook folgte ihm und rief seinen Namen, aber Gentle
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