Imagica
uns.«
»Klar«, bestätigte Montag fröhlich. Und an Clem gewandt:
»Du kümmerst dich um den Boß, nicht wahr? Wenn's brenzlig wird, können wir immer den Iren und die anderen rufen.«
»Hast du ihnen gesagt, wo wir sind?« fragte Clem.
»Keine Sorge - sie kommen nicht auf der Suche nach einem Schlafplatz hierher. Aber so wie ich die Sache sehe: Je mehr Freunde wir haben, desto besser.« Er wandte sich an Judith.
»Von mir aus kann's losgehen.« Mit diesen Worten ging er nach draußen.
»Es sollte nicht länger als zwei oder drei Stunden dauern«, sagte Jude zu Clem. »Gib gut auf dich acht. Und auch auf ihn.«
Sie blickte zur Treppe. Auf der untersten Stufe brannten einige Kerzen, aber ihr Licht reichte nicht ganz bis nach oben, und deshalb blieb Gentle im Dunkeln verborgen. Er gab sich erst zu erkennen, als der Wagen erneut über die Straße rollte.
»Montag ist zurückgekehrt«, sagte Clem.
»Ich hab's gehört.«
»Hat er dich gestört? Das tut mir leid.«
»Nein, nein. Ich bin bereits fertig gewesen, als er kam.«
»Der Abend ist ziemlich warm«, meinte Clem und sah zum 108
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Himmel.
»Warum legst du dich nicht ein wenig hin und schläfst? Ich halte Wache.«
»Wo ist der verdammte Dämon?«
»Er heißt Dunkles Loch, Clem. Er befindet sich im Obergeschoß und paßt dort auf.«
»Ich traue ihm nicht, Gentle.«
»Er stellt keine Gefahr für uns dar. Leg dich jetzt hin.«
»Ist mit Pie alles klar?«
»Ich glaube, ich habe alles Notwendige in Erfahrung gebracht. Jetzt muß ich den Rest der Synode überprüfen.«
»Wie gehst du dabei vor?«
»Ich lasse meinen Körper oben zurück und reise allein mit dem Geist.«
»Klingt gefährlich.«
»Es ist nicht mein erster mentaler Ausflug. Wie dem auch sei: Ohne die Seele sind Fleisch und Blut verwundbar.«
»Weck mich, sobald du mit der Reise beginnen möchtest.
Dann wache ich über deinen Leib.«
»Hau du dich zunächst aufs Ohr.«
Clem nahm eine Kerze und ging fort, um in einem Zimmer zu schlafen. Gentle verharrte an der Eingangstür. Dort setzte er sich auf die oberste Treppenstufe, lehnte den Kopf an den Türrahmen und genoß eine leichte Brise, die wenigstens etwas Erleichterung brachte. In der Straße brannten keine Lampen oder Laternen. Das einzige Licht stammte von Mond und Sternen, und dieser Schein genügte gerade, um die Konturen des Hauses auf der anderen Straßenseite zu erkennen. Blätter raschelten im leise seufzenden Wind, und nach einer Weile fielen dem Maestro die Augen zu. Dadurch verpaßte er die Sternschnuppen, die vom Himmel fielen.
»Oh, wie schön«, seufzte das Mädchen. Es konnte nicht älter sein als sechzehn, und wenn die junge Dame lachte - der Begleiter brachte sie häufig zum Lachen -, wirkte sie noch 1087
jünger. Jetzt schwieg sie, stand in der Dunkelheit und beobachtete die Sternschnuppen. Sartori maß sie mit einem anerkennenden Blick.
Er hatte sie vor drei Stunden kennengelernt, als er durch den Jahrmarkt von Hampstead Heath schlenderte, und es war ihm nicht schwergefallen, ihr Interesse zu wecken. Auf dem Markt herrschte alles andere als reger Betrieb - es waren nur wenige Leute unterwegs -, und die Buden schlossen bereits, als der Abend dämmerte. Daraufhin schlug Sartori eine Tour durch die Stadt vor. »Wir trinken Wein und gehen spazieren«, meinte er;
»wir setzen uns irgendwohin und beobachten die Sterne.« Vor vielen Jahren hatte er sich zum letztenmal in der Kunst der Verführung geübt - Judith war eine ganz andere Art von Herausforderung gewesen -, doch er beherrschte die Tricks noch immer mit meisterhaftem Geschick. Es freute ihn zu sehen, wie ihr Widerstand langsam nachließ, und hinzu kam die Wirkung des Weins... Vergangene Niederlagen und der mit ihnen einhergehende Schmerz schienen plötzlich an Bedeutung zu verlieren.
Die Eroberung hieß Monica und war ebenso hübsch wie willig. Zuerst gab sie sich schüchtern und scheu und wagte es kaum, seinem Blick zu begegnen, doch das gehörte alles zum Spiel. Sartori fand Gefallen daran und ließ sich zunächst von der bevorstehenden Tragödie ablenken. Monica mochte zurückhaltend sein, aber sie lehnte nicht ab, als er einen Bummel im Bereich der abgerissenen Gebäude hinter dem Shiverick Square anregte. Sie ermahnte ihn nur - er solle sie vorsichtig behandeln. Diesen Rat beherzigte er. Nebeneinander wanderten sie durch die Dunkelheit, bis sie eine Stelle fanden, wo Büsche und Sträucher nicht ganz so dicht wuchsen und eine kleine Lichtung
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