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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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überrprüfen...«
    »Das ist meine Absicht.«
    »Dann siehst du es vielleicht selbst, während du in der Stadt bist. Wenn ich mich recht entsinne, sollte ein Eurhetemec die Zweite Domäne repräsentieren...«
    »Er ist tot.«
    »Und wer nimmt seinen Platz ein?«
    »Ich hoffe, Scopique hat inzwischen jemanden gefunden.«
    »Er ist in der Dritten, nicht wahr? Bei der Zapfengrube?«
    »Ja.«
    »Und wer befindet sich im Bereich der Rasur?«
    »Jemand namens Chicka Jackeen.«
    »Habe nie von ihm gehört«, sagte Tick Raw. »Und das ist seltsam. Ich kenne die meisten Maestros. Bist du sicher, daß er die notwendigen Fähigkeiten hat?«
    »Ich zweifle nicht daran.«
    Tick Raw zuckte mit den Schultern. »Nun, ich werde ihm im Ana begegnen. Mach dir keine Sorgen um mich, Sartori. Ich bin ich.«
    »Es freut mich, daß wir nicht von einem Zwist getrennt sind.«
    »Ich streite mich um Essen und Frauen, aber das Metaphysische ist eine ganz andere Angelegenheit«, erwiderte Tick Raw. »Außerdem: Wir streben ein gemeinsames Ziel an.
    Morgen um diese Zeit bist du imstande, von hier aus nach Hause zu gehen.«
    So endete das Gespräch mit Optimismus, und Gentle brach wieder auf, schickte seinen Geist nach Kwem, wo er Scopique an der Zapfengrube zu finden hoffte. Normalerweise hätte er nur wenige Sekunden gebraucht, um jenen Ort zu erreichen, aber er ließ sich von Erinnerungen ablenken. Als er den Berg 1111

    Lipper Bayak verließ, dachte er an Beatrix, und dorthin glitt sein Selbst, nicht nach Kwem.
    Auch in Beatrix herrschte die Finsternis der Nacht. Doeki lagen im Gras an den dunklen Hängen, und die Glocken an ihren Hälsen läuteten leise. Stille umhüllte den Ort. Es leuchteten keine Lampen mehr in den Baumwipfeln, und es gab auch keine Kinder mehr, die sich um sie kümmerten.
    Trauer erfaßte Gentle und veranlaßte ihn fast dazu, sofort aus dem Dorf zu fliehen. Doch er sah ein kleines, mattes Licht in der Ferne und erkannte kurz darauf eine Gestalt, die mit einer hoch erhobenen Lampe über die Straße ging: Coaxial Tasko, der Einsiedler vom Berg; er hatte Pie und Gentle die erforderlichen Mittel gegeben, um das Gebirge Jokalaylau zu überqueren. Tasko verharrte auf halbem Weg über die Straße, hob die Lampe noch etwas höher und spähte in die Dunkelheit.
    »Ist dort jemand?« fragte er.
    Gentle wollte einige Worte an ihn richten - um auch mit ihm Frieden zu schließen, so wie mit Tick Raw, um ihm von der bevorstehenden Rekonziliation zu erzählen -, aber Taskos Miene gebot ihm Schweigen. Der Eremit würde ihm gewiß nicht für Entschuldigungen danken, auch nicht dafür, ihm das Licht eines neuen, von Hoffnung und Zuversicht geprägten Tages in Aussicht zu stellen. Wenn Tasko etwas von der Präsenz eines Besuchers ahnte, so interessierte sie ihn nicht sehr. Er brummte nur etwas Unverständliches, senkte die Lampe und stapfte weiter.
    Gentle verweilte nicht länger an diesem Ort, blickte zu den Bergen, dachte sich fort und verließ nicht nur Beatrix, sondern die Domäne. Das Dorf verschwand, und das graue Tageslicht von Kwem glühte um ihn herum. Vier Stellen gab es, an denen er die anderen Maestros zu finden hoffte - der Berg Lipper Bayak, Kwem, das Eurhetemec-Kesparat und die Rasur -, und nur die Region von Kwem hatte er während seiner Reisen mit Pie nicht besucht. Aus diesem Grund rechnete er damit, daß es 111
    2

    ihm schwerfallen mochte, die Grube zu finden. Doch Scopiques Anwesenheit war wie ein Leuchtfeuer in der Ödnis.
    Zwar wirbelte der Wind dichte Wolken aus Staub und Sand auf, aber Gentle fand den Mann fast sofort. Er hockte im Schutz einer kleinen, primitiven Hütte, die aus einigen zwischen Stangen gespannten Fellen bestand. Sicher kein sehr luxuriöses Quartier, aber während seines Lebens als Aufwiegler hatte Scopique weitaus schlimmere Entbehrungen hinnehmen müssen - zum Beispiel die Haft im Irrenhaus -, und trotz der hiesigen Situation umgab ihn die Aura der Zufriedenheit. Er trug einen tadellosen dreiteiligen Anzug samt Fliege, und das Gesicht wirkte ungeachtet der besonderen Merkmale - die Nase bestand praktisch nur aus zwei Löchern, und hinzu kamen Glotzaugen - weniger verkniffen als früher.
    Der Wind rötete ihm die Wangen.
    Wie Tick Raw rechnete er mit Besuch.
    »Kommen Sie herein, kommen Sie herein!« sagte er und blieb beim früheren Sie. »Obgleich Sie sicher nicht viel von dem Wind spüren, oder?«
    Das stimmte: Die Böen heulten durch Gentle, und er spürte nur ein seltsames Kitzeln am Nabel.

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