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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Gemüse. Gentle suchte diesen Ort als Phantom auf - sein Körper saß mit überkreuzten Beinen im Meditationszimmer des Hauses an der Gamut Street -, aber er benötigte weder Nase noch Gaumen, um die Pikantheit dieser Speisen zu erahnen. Seine Fantasie genügte ihm.
    Tick Raw sah auf, als sich Gentle näherte. Es schien ihn nicht zu stören, von einem Geist beim Essen beobachtet zu werden.
    »Du bist früh dran, nicht wahr?« fragte er und sah auf seine Taschenuhr, die an einem Bindfaden hing. »Es bleiben uns noch einige Stunden.«
    »Ich weiß. Ich bin nur gekommen...«
    »Um bei mir nach dem Rechten zu sehen«, beendete Tick Raw den Satz. Der Senf schien seiner Stimme zusätzliche Schärfe zu verleihen. »Nun, ich bin hier. Sind die Vorbereitungen in der Fünften abgeschlossen?«
    »Noch nicht ganz«, erwiderte Gentle mit mehr als nur einem Hauch Unbehagen.
    Als Maestro Sartori war er oft auf solche Weise unterwegs gewesen - die Kraft der Magie trug Abbild und Stimme des realen Selbst durch die Domänen -, und er beherrschte diese Art des Reisens mit dem gleichen Geschick wie damals.
    Dennoch empfand er ein seltsames Gefühl dabei.
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    »Wie sehe ich aus?« fragte er und erinnerte sich daran, daß er hier an diesem Hang versucht hatte, das Erscheinungsbild des Mystifs zu beschreiben.
    »Dir fehlt Substanz«, antwortete Tick Raw. Er sah zu dem Phantom auf und wandte sich dann wieder dem Essen zu.
    »Was mir nur recht ist, weil die Würstchen nicht für zwei Personen reichen.«
    »Ich muß mich noch immer an meine Macht gewöhnen.«
    »Du solltest dich damit beeilen«, sagte Tick Raw. »Eine wichtige Aufgabe erwartet uns.«
    »Und ich hätte gleich zu Anfang begreifen müssen, daß du Teil dieser Aufgabe bist. Ich möchte mich hiermit bei dir entschuldigen.«
    »Schon gut.«
    »Vermutlich hast du mich für verrückt gehalten.«
    »Nun, wie soll ich mich ausdrücken? Du hast mich verwirrt.
    Es hat Tage gedauert, bis mir klar wurde, warum du so verstockt gewesen bist. Nun, Pie gab sich alle Mühe, mich darauf hinzuweisen. Aber ich hatte so sehr auf jemanden aus der Fünften gewartet, daß ich ihm nur mit halbem Ohr zuhörte.«
    »Wahrscheinlich hoffte der Mystif, daß mir die Begegnung mit dir alle Erinnerungen zurückgeben würde.«
    »Wann schlossen sich die Lücken in deinem Gedächtnis?«
    »Erst nach einigen Monaten.«
    »War es Pie, der dir damals die Reminiszenzen nahm, dich vor dir selbst zu verstecken?«
    »Ja, auf meine Bitte hin.«
    »Ich schätze, dabei hat der Mystif zu gute Arbeit geleistet.
    Wird ihm eine Lehre sein. Übrigens: Wo befindet sich dein Körper?«
    »In der Fünften.«
    »Wenn ich dir einen guten Rat geben darf: Überlaß ihn nicht zu lange sich selbst. Bei mir spielt immer der Darm verrückt: 1109

    Wenn ich zurückkehre, finde ich mich häufig in einem Haufen Scheiße wieder. Aber vielleicht ist das nur eine ganz persönliche Schwäche.«
    Tick Raw griff nach einem Würstchen, biß ab und fragte, warum Gentle den Mystif gebeten hatte, ihm die Erinnerungen zu nehmen.
    »Ich bin ein Feigling gewesen«, lautete die Antwort. »Ich glaubte, die schwere Bürde des Versagens nicht tragen zu können.«
    »Eine schwierige Sache«, kommentierte Tick Raw. »Ich habe mich jahrelang gefragt, ob ich in der Lage gewesen wäre, meinen Maestro Uter Musky zu retten, wenn ich schneller reagiert hätte. Ich vermisse ihn noch immer.«
    »Ich bin für seinen Tod verantwortlich. Und von dieser Schuld kann ich mich nie befreien.«
    »Niemand von uns ist perfekt, Maestro. Bei mir hapert's mit dem Darm, und du hältst dich für einen Feigling. Trotzdem willst du einen neuen Versuch wagen. Deshalb bist du doch hier, oder?«
    »Du hast recht.«
    Tick Raw sah erneut auf die Uhr und rechnete stumm.
    »Noch etwa zwanzig der in der Fünften Domäne gebräuchlichen Stunden.«
    »Ja.«
    »Nun, ich bin bereit«, sagte der Mann und schob sich eine Gurke in den Mund.
    »Hast du jemanden, der dir hilft?«
    »Ich brauche keine Hilfe«, erwiderte Tick Raw mit vollem Mund, wodurch seine Stimme undeutlich klang. Er kaute und schluckte. »Niemand weiß, daß ich hier bin«, erklärte er. »Es wird noch immer nach mir gefahndet, obgleich nur Ruinen von Yzordderrex übriggeblieben sind, wie ich hörte.«
    »Das stimmt.«
    »Außerdem soll sich der Zapfen verändert haben«, fügte 111
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    Tick Raw hinzu.
    »In was?«
    »Niemand kommt nahe genug heran, um es herauszufinden.
    Aber wenn du vorhast, die ganze Synode zu

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