Imagica
Dennoch schwebte er zu Scopique in die Hütte, wo Wände aus Fellen und Leder vor dem Wind schützten. Scopique erwies sich als recht redselig und erstattete mit einem schier endlosen Monolog Bericht. Er erklärte die Bereitschaft, seine Domäne im heiligen Ana zu repräsentieren, fragte sich jedoch, wie inneres Gleichgewicht und Stabilität der Rekonziliation gewährleistet sein sollten -
immerhin fehlte der Zapfen. Er hatte das Zentrum von Imagica gebildet, erinnerte er Gentle, um als Fokus für Kraft und Energie zu dienen. Jetzt ragte er nicht mehr an dem ihm gebührenden Platz auf, und seine Abwesenheit bedeutete einen schweren Verlust für die Dritte Domäne.
Nach einer Weile stand Scopique auf und führte das körperlose Selbst zum Rand der nahen Grube. »Ich warte hier 1113
an einem leeren Loch!«
»Glauben Sie, daß sich dadurch negative Konsequenzen für die Rekonziliation ergeben könnten?«
»Wer weiß? Wir alle sind Amateure, die den Anschein von Experten zu erwecken versuchen. Nun, wenigstens ist es mir gelungen, diesen Ort von einer früheren Präsenz zu reinigen und zu läutern.«
Scopique deutete fort von der Grube, zu den immer noch qualmenden Trümmern eines recht großen Gebäudes, das wie ein massiver Schatten in den Staubwolken anmutete.
»Was war das?« fragte Gentle.
»Der Palast des verdammten Mistkerls.«
»Und wer hat ihn zerstört?«
»Wer wohl? Ich.« Scopique schnaufte. »Ich wollte mir von nichts Gesellschaft leisten lassen, das er geschaffen hat. Wir müssen eine Aufgabe wahrnehmen, die auch so schon schwierig genug ist, ohne den störenden Einfluß des Autokraten. Das dreimal verfluchte Ding sah aus wie ein Bordell!« Er wandte sich von der Ruine ab. »Uns bleiben nur Stunden. Und wir hätten uns einige Monate Zeitnehmen sollen, um die Vorbereitungen zu treffen.«
»Ja, ich weiß.«
»Und dann das Problem mit der Zweiten. Pie beauftragte mich, einen Ersatz zu finden. Nun, ich hätte das natürlich gern mit Ihnen besprochen, doch als wir uns zum letztenmal begegneten, schienen Sie nicht ganz Sie selbst zu sein. Pie verbot mir, Sie auf Ihr wahres Ich hinzuweisen, auf Ihre zentrale Identität, aber... Darf ich ganz offen sein?«
»Könnte ich Sie daran hindern?«
»Nein. Ich war sehr versucht, Ihnen Vernunft einzuprügeln.«
Scopique richtete einen durchdringenden Blick auf den Besucher und schien mit dem Gedanken zu spielen, die Tracht Prügel jetzt nachzuholen. Allerdings sah er sich in diesem Zusammenhang mit einem nicht unerheblichen Problem 111
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konfrontiert: Es fehlte Gentle an Substanz. »Sie haben dem Mystif eine Menge Kummer bereitet«, fügte er hinzu. »Wie dumm von ihm, Sie trotzdem zu lieben.«
»Ich hatte meine Gründe«, erwiderte Gentle leise. »Nun, Sie erwähnten einen Ersatz...«
»Ah ja. Athanasius!«
»Athanasius?«
»Er ist nun unser Mann in Yzordderrex und repräsentiert die Zweite Domäne. Starren Sie mich nicht so entsetzt an. Er kennt die Zeremonie, und ihm liegt ebensoviel an der Rekonziliation wie uns.«
»Athanasius ist vollkommen übergeschnappt, Scopique! Er hielt mich für den Gesandten von Hapexamendios.«
»Welche Annahme könnte unsinniger sein?«
»Er hat versucht, mich von Madonnenfiguren umbringen zu lassen. Wahnsinn wohnt in ihm.«
»Jeder von uns hat seine schwachen Momente, Sartori.«
»Nennen Sie mich nicht so.«
»Athanasius ist einer der heiligsten Männer, denen ich je begegnet bin.«
»Wie kann er einerseits an die Heilige Mutter glauben und andererseits behaupten, Jesus zu sein?«
»Warum sollte er nicht an seine Mutter glauben?«
»Wollen Sie allen Ernstes behaupten...«
»...Athanasius sei der wiederauferstandene Christos? Nein, wenn wir einen Messias in unserer Mitte haben müssen, so stimme ich für Sie.« Scopique seufzte. »Ich weiß, daß Sie gewisse Probleme mit Athanasius haben, aber kam jemand anderes in Frage? Es gibt nicht so viele Maestros, Sartori.«
»Ich habe Ihnen gesagt...«
»Ja, ja. Der Name gefällt Ihnen nicht. Nun, verzeihen Sie bitte, aber solange ich lebe, sind Sie der Maestro Sartori für mich. Und wenn Sie wollen, daß jemand anderer meinen Platz einnimmt, jemand, der Sie so nennt, wie Sie es möchten...«
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»Waren Sie immer so verdammt stur?« erkundigte sich Gentle.
»Nein«, antwortete Scopique. »Ich habe jahrelang geübt.«
Der Rekonziliant schüttelte den Kopf.
»Athanasius. Ein Alptraum.«
»Vielleicht trägt er tatsächlich den Geist von Jesus in sich«,
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