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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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begeben?«
    »Nein. Ich bin nur gekommen, um festzustellen, ob Sie bereit sind.«
    »Das bin ich, Maestro.«
    Gentle deutete auf die Karten. »Bahnte sich ein Sieg für Sie an?«
    »Ich habe mit mir selbst gespielt.«
    »Auch dabei kann man gewinnen.«
    »Tatsächlich? Nun, dann lautet die Antwort: Ja, ich hätte gewonnen.«
    Jackeen stand auf und nahm die Brille ab, durch deren Gläser er die Karten betrachtet hatte.
    »Ist etwas aus der Rasur gekommen, während Sie hier gewartet haben?« fragte der Rekonziliant.
    »Nein. Seit Athanasius aufbrach, habe ich immer nur meine eigene Stimme gehört. Sie sind die einzige Ausnahme.«
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    »Er ist nun Mitglied der Synode«, sagte Gentle. »Scopique hat ihn überredet, sich unserer Gruppe anzuschließen und die Zweite Domäne zu repräsentieren.«
    »Was ist mit dem Eurhetemec geschehen? Ich hoffe, er wurde nicht ermordet...«
    »Er erlag der Bürde des Alters.«
    »Ist Athanasius der Aufgabe gewachsen?« Jackeen glaubte offenbar, mit dieser Frage das Protokoll verletzt zu haben. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich habe kein Recht, an Ihrem Urteil zu zweifeln.«
    »Doch, das haben Sie«, widersprach Gentle. »Und wenn solche Zweifel existieren, müssen sie sofort in Worte gefaßt werden - damit man sie ausräumen kann. Uns darf kein Argwohn trennen, wenn wir einen Erfolg erzielen wollen.«
    »Wenn Sie Athanasius für fähig halten, so teile ich Ihr Vertrauen«, sagte Jackeen schlicht.
    »Wir sind also bereit.«
    »Wenn Sie erlauben: Ich möchte über eine Sache Bericht erstatten.«
    »Nur zu.«
    »Ich habe darauf hingewiesen, daß nichts aus der Rasur kam, was durchaus den Tatsachen entspricht, aber...«
    »Aber etwas begab sich hinein?«
    »Ja. Gestern abend. Ich schlief unter dem Tisch hier...«
    Chicka deutete auf ein Lager aus Decken und Steinen. »Als ich erwachte, war ich völlig durchgefroren, und dafür schien nicht allein die niedrige Temperatur verantwortlich zu sein. Zuerst dachte ich an einen Traum, und deshalb bin ich nicht sofort aufgestanden. Doch dann sah ich, wie Gestalten aus dem Nebel kamen. Dutzende.«
    »Um wen handelte es sich?«
    »Um Nullianacs«, antwortete Jackeen. »Kennen Sie die Wesen?«
    »Ja.«
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    »Ich habe mindestens fünfzig gezählt. Und zwar nur in Sichtweite.«
    »Wurden Sie von ihnen bedroht?«
    »Sie schenkten mir überhaupt keine Beachtung. Vielleicht haben sie mich nicht einmal bemerkt. Ihre Aufmerksamkeit galt allein einem Ziel...«
    »Der Ersten Domäne?«
    »In der Tat. Doch bevor sie die Barriere passierten... legten sie die Kleidung ab, entzündeten Feuer und verbrannten alles, was sie am Leib trugen.«
    »Jeder einzelne Nullianac zeigte dieses Verhalten?«
    vergewisserte sich Gentle.
    »Ja. Zumindest diejenigen, die ich beobachten konnte. Eine außergewöhnliche Angelegenheit.«
    »Bitte zeigen Sie mir die Feuerstellen.«
    »Gern.« Jackeen führte den Rekonzilianten fort von dem Tisch, und unterwegs setzten sie das Gespräch fort.
    »Ich habe nie zuvor einen Nullianac gesehen, aber natürlich kenne ich die Geschichten über sie.«
    »Es sind skrupellose und bösartige Geschöpfe«, sagte Gentle. »Vor einigen Monaten habe ich in Vanaeph einen Nullianac getötet, und in Yzordderrex begegnete ich einem seiner Brüder: Er brachte ein Kind um, das ich gut kannte.«
    »Jene Wesen lieben Unschuld in jeder Form, wie ich hörte.
    Reinheit ist Nahrung für sie. Und sie sind alle miteinander verwandt, obgleich nie jemand ein weibliches Exemplar dieser Spezies gesehen hat. Manche Leute behaupten sogar, es gäbe gar keine Frauen unter ihnen.«
    »Offenbar wissen Sie Bescheid.«
    »Nun, ich habe viel gelesen, unter anderem auch über die Nullianacs.« Jackeen sah Gentle an. »Aber wie heißt es so schön? Erwirb neues Wissen in dem Bewußtsein...«
    »...daß es längst in dir weilt.«
    »Ja.«
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    Gentle musterte den Mann mit erneuertem Interesse, als er diese Weisheit von seinen Lippen hörte. War das ein so weit verbreitetes Diktum, daß es alle Lernenden kannten, oder wußte Jakkeen um die besondere Bedeutung seiner Worte? Der Rekonziliant blieb stehen und lächelte fast schelmisch, während sein Blick an Chickas Zügen haften blieb. Nach einigen Sekunden sah er dort den Beweis.
    »Mein Gott...«, brachte er hervor. »Lucius?«
    »Ja, Maestro. Ich bin's.«
    »Lucius! Lucius!«
    Natürlich waren die vergangenen beiden Jahrhunderte nicht völlig spurlos an dem einstigen Jungen vorübergegangen, aber sie hatten keine

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