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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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nicht. Vielleicht waren Sie begraben. Oder Sie schliefen. Selbst Wahnsinn kommt in Frage. Aber der Tod...
    Nein, ausgeschlossen.«
    »Paramarola hat recht«, sagte Lotti. »Wir wußten, daß dieser Tag irgendwann kommen würde.«
    »Unglücklicherweise könnte es nur ein kurzer Triumph sein«, gab Judith zu bedenken.
    »Warum?« Lotti wölbte die Brauen. »Der Autokrat ist fort.«
    »Ja. Aber nicht sein Vater.«
    »Sein Vater?« wiederholte Paramarola. »Ich hab' ihn für einen Bastard gehalten.«
    »Wer ist sein Vater?« fragte Lotti.
    »Hapexamendios.«
    Paramarola lachte, doch Lotti Yap rammte ihr den Ellenbogen in die gut gepolsterten Rippen.
    »Es ist kein Witz, Rola.«
    »Es muß ein Witz sein.«
    »Lacht diese Frau etwa?« Und zu Judith: »Hast du einen Beweis dafür?«
    »Nein...«
    »Wie kannst du dann so etwas behaupten?«
    Jude hatte Probleme erwartet, wenn es darum ging, Unwissende von Sartoris Abstammung zu überzeugen, aber bisher war sie von der Annahme ausgegangen, daß ihr zum kritischen Zeitpunkt ein genialer Einfall zu Hilfe kommen würde. Doch jetzt verspürte sie nur den eigenen Ärger. Wenn sie allen Personen hier und später den Göttinnen die ganze traurige Geschichte von ihrer Beziehung zu dem Autokraten Sartori 1153

    erzählen mußte..., dann war das Schlimmste längst passiert, bevor sie auch nur die Hälfte der restlichen Strecke zurückgelegt hatte.
    Eine Inspiration formte sich in ihr, und sie griff sofort danach.
    »Der Zapfen beweist es«, sagte sie.
    »Wieso?« fragte Lotti und maß die ihr fremde Frau erneut mit einem durchdringenden Blick.
    »Ohne die Hilfe seines Vaters hätte der Autokrat den Zapfen unmöglich in seinem Palast aufstellen können.«
    »Der Zapfen gehörte überhaupt nicht dem Unerblickten«, erwiderte Paramarola. »Das war nie der Fall.«
    Judith blinzelte verwirrt.
    »Rola hat recht«, bestätigte Lotti. »Er hat ihn benutzt, um einige schwache Männer zu beherrschen. Aber der Zapfen gehörte Ihm nie.«
    »Wem dann?«
    »Uma Umagammagi wohnte darin.«
    »Wer?«
    »Die Schwester von Tishalulle und Jokalaylau. Die Halbschwester der Töchter des Deltas.«
    »Es weilte eine Göttin im Zapfen?«
    »Ja.«
    »Und der Autokrat wußte nichts davon?«
    »Nein. Sie versteckte sich dort vor Hapexamendios, als Er Imagica durchquerte. Jokalaylau verbarg sich in Gletschern, schlief im Eis. Und Tishalulle...«
    »Sie zog sich in die Wiege von Chzercemit zurück«, sagte Judith.
    »In der Tat«, entgegnete Lotti und nickte beeindruckt.
    »Und Uma Umagammagi suchte Zuflucht in festem Stein«, fuhr Paramarola fort; sie erzählte die Geschichte so, als sei ihre Zuhörerin ein Kind. »Sie hoffte, daß Er an ihrem Versteck vorbeigehen würde, ohne Sie zu bemerken. Doch Er wählte 115
    4

    den Zapfen als Zentrum von Imagica und hüllte ihn in Seine Macht, schloß Sie darin ein.«
    Was für eine Ironie, dachte Judith. Der Architekt von Yzordderrex hatte seine Festung - sein ganzes Reich - um eine gefangene Göttin errichtet. Die Parallele zu Celestine entging ihr nicht. Offenbar hatte Roxborough mit der Einmauerung eine düstere Tradition fortgesetzt.
    »Wo sind die Göttinnen jetzt?« fragte sie.
    »Auf der Insel«, antwortete Lotti. »Früher oder später dürfen wir alle zu Ihnen, um Ihren Segen zu empfangen.
    Wahrscheinlich müssen wir uns noch einige Tage gedulden.«
    »Soviel Zeit habe ich nicht«, erwiderte Jude. »Wie gelange ich zur Insel?«
    »Du wirst gerufen, wenn es soweit ist.«
    »Ich kann nicht warten«, sagte Judith. »Entweder jetzt oder nie.« Sie sah nach links und rechts, blickte zum Durchgang.
    »Vielen Dank für eure Informationen«, fügte sie hinzu.
    »Vielleicht sehen wir uns wieder.«
    Sie entschied sich für links und ging los, aber Lotti hielt sie am Arm fest.
    »Du verstehst nicht, Judith. Die Göttinnen sind gekommen, um uns Sicherheit zu gewähren. Hier kann uns niemand ein Leid zufügen, nicht einmal der Unerblickte.«
    »Ich hoffe, du hast recht«, entgegnete die Frau aus der Fünften. »Ja, das hoffe ich von ganzem Herzen. Aber ich muß Sie warnen - falls trotzdem Gefahr droht.«
    »Nun, dann sollten wir dich begleiten«, meinte Lotti. »Sonst findest du nie den Weg.«
    »Warte«, warf Paramarola ein. »Hältst du das für klug? Die Frau könnte gefährlich sein.«
    »Sind wir das nicht alle?« fragte Lotti. »Deshalb hat man uns doch eingesperrt, oder?«
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    2
    Die Atmosphäre in den Straßen außerhalb des Palastes deutete auf eine Art

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