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Imagica

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Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Gruppenmitglieder wechselten besorgte Blicke. »Oder vielleicht doch? Sehr bedauerlich. Hoffentlich blieb dem Wesen nicht genug Zeit, über seine Entdeckungen Bericht zu erstatten.«
    »Was geschehen ist, läßt sich nicht mehr rückgängig machen«, sagte McGann. »Wir alle tragen einen Teil der Verantwortung. Das gilt auch für Sie, Oscar. Sie hätten uns auf Ihren Verdacht hinweisen sollen.«
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    »Wären Sie bereit gewesen, mir zu glauben?« erwiderte Godolphin. »Ich konnte es selbst kaum fassen - bis mir subtile Veränderungen in Dowds Verhalten auffielen.«
    »Warum Sie?« erkundigte sich Shales. »Das möchte ich gern wissen. Warum wählte man Sie als Ziel einer derartigen Überwachung? Vielleicht glaubten die Fremden, daß Sie leicht zu beeinflussen sind. Vielleicht hofften sie, Oscar Godolphin als Verbündeten zu gewinnen. Vielleicht haben Sie sich auf ihre Seite geschlagen.«
    »Sie sind wie üblich zu selbstgerecht, um Ihre eigenen Schwächen zu erkennen, Hubert«, sagte Godolphin. »Woher wollen Sie wissen, daß nur ich auf diese Weise überwacht worden bin? Können Sie schwören, daß alle Ihre Bekannten über jeden Verdacht erhaben sind? Wie aufmerksam beobachten Sie Ihre Freunde und Verwandten? Möglicherweise gehört jemand von ihnen zu der Verschwörung.«
    Es bereitete Oscar enorme Genugtuung, die Saat des Zweifels auszubringen, und er beobachtete nun, wie sie aufging. Noch vor einer halben Stunde waren diese Leute von ihrer Unfehlbarkeit überzeugt gewesen, doch nun fiel der Schatten der Unsicherheit auf ihre Züge. Godolphin war ein erhebliches Risiko eingegangen, und dieser Anblick belohnte ihn dafür.
    Shales ließ nicht locker.
    »Tatsache bleibt, daß dieses Ding zu Ihren Mitarbeitern zählte«, knurrte er.
    »Das genügt, Hubert«, sagte McGann sanft. »Wir dürfen der Uneinigkeit unter uns keine Chance einräumen. Ein Kampf steht bevor, und ganz gleich, was wir von Oscars Methoden halten - ich bin nicht mit ihnen einverstanden, um das klarzustellen -, niemand kann ernsthaft seine Integrität bezweifeln.« Er sah sich am Tisch um und hörte zustimmendes Murmeln. »Wer weiß, wozu dieses Geschöpf imstande gewesen wäre, wenn es begriffen hätte, daß es durchschaut 145

    worden war. Godolphin hat sich erheblichen Gefahren ausgesetzt, um uns alle vor Unheil zu bewahren.«
    »In der Tat«, bestätigte Lionel. Er trat näher und reichte Oscar ein Glas mit Malt-Whisky. »Gute Arbeit«, fügte er hinzu. »Danke dafür.«
    Oscar nahm das Glas entgegen. »Salut«. Er trank den Whisky in einem Zug.
    »Meiner Ansicht nach besteht kein Anlaß, irgend etwas zu feiern«, ließ sich Charlotte Feaver vernehmen. Als erstes Gruppenmitglied setzte sie sich wieder an den Tisch, trotz des auf ihm liegenden Leichnams. Sie entzündete eine Zigarette, blies den Rauch zur Decke und schürzte die Lippen.
    »Angenommen, Godolphin hat recht. Angenommen, dem Ding ging es wirklich darum, sich bei uns einzuschleichen. Die Frage lautet - warum?«
    Shales deutete auf Dowds sterbliche Reste. »Davon dürfen Sie keine Antwort erwarten. Das Geschöpf wird für immer schweigen - worüber sich bestimmt irgend jemand freut.«
    »Wie lange muß ich mir diese Andeutungen noch gefallen lassen?« brummte Oscar.
    »Ich habe eben schon gesagt, daß es genügt, Hubert«, meinte McGann.
    »Dies ist eine demokratische Versammlung«, entgegnete Shales in einem herausfordernden Tonfall. »Wenn ich einen Diskussionsbeitrag leisten möchte...«
    »Das haben Sie bereits.« Lionels Elan basierte zum größten Teil auf Alkohol. »Und deshalb sollten Sie nun die Klappe halten.«
    »Was unternehmen wir jetzt?« fragte Bloxham. Er hatte sich Mund und Kinn abgewischt, kehrte zum Tisch zurück und schien entschlossen zu sein, nach der unwürdigen Reaktion seine Autorität wiederherzustellen. »Gefährliche Zeiten haben begonnen.«
    »Genau deshalb sind die Fremden hier«, spekulierte Alice.
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    »Sie wissen vom bevorstehenden Jahrestag und wollen erneut eine Rekonziliation versuchen.«
    »Aber weshalb eine Infiltration unserer Gruppe?« fragte Bloxham.
    »Um uns einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen«, antwortete Lionel. »Wenn sie unsere Pläne kennen, haben sie die Möglichkeit, uns zu überlisten. Übrigens: War die Krawatte sehr teuer?«
    Bloxham senkte den Kopf und stellte fest, daß Erbrochenes auf seine seidene Krawatte gespritzt war. Er löste sie vom Hals und bedachte Lionel dabei mit einem bitterbösen Blick.
    »Was könnten

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