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Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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sie über uns herausfinden?« fragte Alice Tyrwhitt auf ihre geistesabwesende Art. »Wir wissen doch gar nicht, was es mit der Rekonziliation auf sich hat.«
    »Und ob wir das wissen«, widersprach Shales. »Unsere Ahnen haben versucht, Erde und Himmel zusammenzuführen.«
    »Das klingt fast poetisch«, bemerkte Charlotte. »Aber was bedeutet es?Ganz konkret, meine ich. Kann mir jemand Antwort darauf geben?« Stille. »Dachte ich mir. Eigentlich absurd: Wir haben geschworen, etwas zu verhindern, das wir gar nicht verstehen.«
    »Es handelte sich um eine Art Experiment«, sagte Bloxham.
    »Und es schlug fehl.«
    »Waren unsere Vorfahren verrückt?« fragte Alice.
    »Hoffentlich nicht«, erwiderte Lionel. »Meistens vererbt Wahnsinn sich.«
    »Nun, ich bin nicht übergeschnappt«, fuhr Alice fort. »Und ich bin sicher, daß meine Freunde genauso geistig gesund und menschlich sind wie ich. Andernfalls wäre mir bestimmt was aufgefallen.«
    »Godolphin...«, sagte McGann. »Ihr Schweigen erstaunt mich.«
    »Ich lausche der Weisheit«, verkündete Oscar.
    »Welche Schlußfolgerungen ziehen Sie aus dieser Ange-147

    legenheit?«
    »Nun, es gibt Zyklen, die sich in bestimmten Abständen wiederholen«, sagte Godolphin. Er sprach langsam und konnte sich der vollen Aufmerksamkeit seiner Zuhörer sicher sein.
    »Wir nähern uns dem Ende des Jahrtausends. Die Vernunft weicht der Irrationalität, das Objektive der Emotionalität.
    Wenn ich ein junger, ehrgeiziger Esoteriker mit historischem Interesse wäre... Es fiele mir bestimmt nicht sehr schwer, Hinweise darauf zu finden, was vor zweihundert Jahren geschah - Hinweise auf das Experiment, wie es Bloxham nannte. Und vielleicht käme ich dann auf den Gedanken, es zu wiederholen.«
    »Sehr plausibel«, kommentierte McGann.
    »Woher nähme ein solcher Adept die notwendigen Informationen?« fragte Shales.
    »Stellen Sie sich einen Autodidakten vor.«
    »Er kann das Wissen nicht einfach aus der leeren Luft beziehen. Und alle wichtigen Bücher befinden sich in den Kellergewölben dieses Gebäudes.«
    »Wirklich alle?«. schränkte Godolphin ein. »Sind Sie ganz sicher?«
    »Ja. Weil seit zwei Jahrhunderten auf der Erde keine Magie mehr ausgeübt wurde. Die Esoteriker waren machtlos. Wir hätten bestimmt davon erfahren, wenn es irgendwo zu bedeutender magischer Aktivität gekommen wäre.«
    »Wir wußten nichts von Godolphins kleinem Freund«, mahnte Charlotte. Damit nahm sie Oscar das Vergnügen, diese Ironie selbst zu formulieren.
    »Ist die Bibliothek nach wie vor komplett?« fragte Charlotte.
    »Vielleicht wurden Bücher gestohlen.«
    »Von wem?« quiekte Bloxham.
    »Zum Beispiel von Dowd. Es ist nie ein Verzeichnis angefertigt worden. Jene Frau namens Leash hat's versucht, aber wir wissen ja, was mit ihr geschah.«
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    Diese Sache gehörte zu den kleineren Schandflecken der Tabula Rasa. Sie bestand aus mehreren Zufällen, die zur Tragödie führten. Im großen und ganzen lief es auf folgendes hinaus: Clare Leash hatte beschlossen, alle Bücher im Besitz der Gruppe in einem Katalog zu verzeichnen, und sie erlitt einen Schlaganfall, während sie damit beschäftigt war. Zwei Tage lang lag sie im Keller. Als man sie schließlich entdeckte, war kaum noch Leben in ihr. Nun, sie starb nicht, verlor jedoch den Verstand. Elf Jahre waren seitdem vergangen, und Leash wohnte noch immer als Schwachsinnige in einem Hospiz.
    »Es müßte sich irgendwie feststellen lassen, ob Unbefugte in der Bibliothek gewesen sind«, sagte Charlotte.
    Bloxham nickte. »Darum sollten wir uns kümmern.«
    »Ich nehme an, Sie stellen sich für diese Aufgabe zur Verfü-
    gung?« vermutete McGann.
    »Und wenn die Fremden ihre Informationen nicht aus der Bibliothek bekamen...«, überlegte Charlotte laut. »Es gibt noch andere Quellen. Niemand von uns kann ernsthaft glauben, daß wir alle Bücher haben, die Imagica betreffen, oder?«
    »Natürlich nicht«, sagte McGann. »Aber im Lauf der Jahre hat unsere Gruppe allen Versuchen die Grundlage genommen.
    Die gegenwärtigen Kulte sind völlig bedeutungslos - das wissen wir. Es werden einfach Dinge zusammengeschustert, die überhaupt keinen Sinn ergeben. Niemand hat die für einen Rekonziliationsversuch erfolgreichen Werkzeuge. Kaum jemand ahnt, was es mit Imagica auf sich hat. Die heutigen Zauberer und Hexen begnügen sich damit, den Chef im Büro mit dem bösen Blick zu strafen.«
    Solche Reden hatte Godolphin schon oft gehört - angeblich stellte die Magie in der

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