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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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wodurch ein über sechs Kilometer großer Krater entstanden sein könnte; ohne Druckwelle, ohne Schockwelle, ohne eine bis in die Stratosphäre expandierende Wasserdampfwolke. Haben Sie eine Zigarette übrig?«
    Der Punkt ging an Orgariowa. Ich suchte verlegen meine Jackentaschen ab.
    »Seien Sie beruhigt, ich erlag vorhin für eine gewisse Zeit ebenfalls dem Reiz des Spektakulären. Unsere Regierung weiß im Übrigen sehr gut, dass es sich nicht um eine Nuklearexplosion gehandelt hat.«
    »So?« Ich fischte die Zigarettenpackung hervor. »Woher denn?«
    Die Russin lächelte. »Das ist nicht wichtig, Poul. Ich darf Sie doch Poul nennen, oder?« Sie zog mit den Fingernägeln eine der Zigaretten aus der Packung und ließ sich Feuer geben. »Ein paar, hm … Mitarbeiter von uns haben wenige Tage nach dem Ereignis die Strahlung in der unmittelbaren Umgebung des Kraters gemessen. Als reine Vorsichtsmaßnahme, versteht sich, und im Dienste der Wissenschaft.«
    »Sie haben …«
    »Wir hatten, Poul. Plusquamperfekt. Das ist in diesem Augenblick fast so, als sei nichts geschehen. Also hängen Sie es nicht an die große Glocke.« Ihr intensiver Blick konnte als Warnung interpretiert werden.
    Mein Gesichtsausdruck schien sie zu irritieren, denn sie wirkte für einen Augenblick verunsichert. Ich hingegen verband das soeben Gehörte mit einem ganz anderen Gedanken.
    »War eine Frau dabei?«, fragte ich hitziger als beabsichtigt.
    »Eine Frau?«
    »Bei Ihrem Spähtrupp«, half ich ihr unnötigerweise auf die Sprünge. »War eine Frau in Grönland dabei? Eine Inuit? Leiden einige Ihrer Leute seit ihrer Rückkehr an der Strahlenkrankheit? An Krebs oder Leukämie?«
    »Warum interessiert Sie das?«
    »Beantworten Sie bitte meine Fragen, Elena!«
    »Nein, es war keine Frau dabei. Und es wurde auch niemand krank«, versicherte die Russin. »Zumindest bis heute nicht.«
    Ich sah sie forschend an, und aus irgendeinem unerfindlichen Grund glaubte ich ihr.
    »Schauen Sie«, begann sie, nachdem sie ihre alte Selbstsicherheit wiedergefunden hatte, »ein Objekt, das in der Lage wäre, einen so gewaltigen Krater zu verursachen, müsste eine entsprechende Größe haben und daher schon monatelang von astronomischen Stationen optisch verfolgt worden sein.« Das Thema behagte ihr nicht sonderlich, aber sie hielt wohl eine knappe Rechtfertigung für angebracht. »Die Panik in der Weltpresse wäre enorm gewesen. Aber der Verursacher dieses Kraters schien nicht nur unsichtbar gewesen zu sein, nein, er schien sich auch noch so langsam durch unsere Atmosphäre hindurchgeschlichen zu haben, dass er nicht einmal Reibungshitze erzeugte … ist das nicht verblüffend? Fast so, als sei Gott vom Himmel gefallen.« Sie schnaubte belustigt. »Daher kam für uns nur ein irdischer Auslöser in Frage. Wir wollten feststellen, ob der Grund nuklearer oder geothermischer Natur war. Auf die offizielle Version waren wir nicht besonders scharf.«
    »Und was haben Sie festgestellt?«
    »Dasselbe wie in unmittelbarer Nähe eines Topfes voll heißem Wasser, den man zwei Tage lang in eine Kühltruhe gestellt hat. – Nichts.«
    »Nichts?«
    »Absolut nichts. Die Strahlung ist nicht wesentlich höher als anderswo über dem Inlandeis. Die Luft ist rein, der Schnee sauber, der Himmel blau.«
    »Aber Sie glauben trotz allem nicht an einen Meteoriten«, schlussfolgerte ich.
    »Sie etwa?«
    »Ich weiß es nicht«, gestand ich.
    »Ob Sie nur zweifeln oder nicht daran glauben, das Resultat ist dasselbe: Es weckt den Wissensdurst.«
    Der zweite Punkt für Russland …
    »Alles, was sich dort draußen im All bewegt, ist schnell«, fuhr die Orgariowa fort. »Auch jene Körper, die nach kosmischen Maßstäben gemächlich dahinziehen. Oder halten sie das relative Schneckentempo von fünfzig Kilometern pro Sekunde für langsam?«
    »Keinesfalls.«
    »Dann wissen Sie, dass in so einem Fall ein Auswurfring und ein Kraterwall die logische Folge hätten sein müssen! Selbst im Eis. Aber weder das eine noch das andere existiert. Nichts, das zufällig mit der Erde kollidiert, sinkt so langsam herab und schlägt dennoch mit viel Getöse einen sechs Kilometer großen Krater, ohne dass die Schockwelle alles im Umkreis von dreißig Kilometern pulverisiert.« Sie sah mich aufmerksam an. »Zumindest kein Objekt, das einzig der kosmischen Willkür und der Gravitation unterworfen ist.«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Keine Sorge, ich halte mich mit Mutmaßungen zurück. Ich möchte lediglich,

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