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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Bedeutendes in seiner Kaffeetasse entdeckt zu haben schien, sahen mich an.
    Ich fühlte mich plötzlich unbehaglich. »Sie glauben doch nicht etwa, dass es nur ein Vorbote war …?« Broberg und Chapmann tauschten einen Blick. »Nicht, dass nach dem zweiten und dritten Einschlag tatsächlich ein Atomkrieg ausbricht …« Ich lächelte gezwungen. Eine innere Stimme sagte mir, dass etwas Unangenehmes in der Luft lag. Gottverdammt, warum war ich nur so ein miserabler Schauspieler?
    »Wir wissen es nicht«, meinte Broberg gedehnt und studierte ein paar kleine Schmutzspritzer auf Mertens blankgewichsten Schuhen. »Aber mit Ihrer Hilfe, Poul, werden wir es vielleicht bald herausfinden.«
    Hundegebell … Sirenengeheul … Hornsignale … Trommelwirbel … Fanfarenstoß … Def-Con 3! »Mit meiner Hilfe?« Ich hatte Mühe, die drei Worte zu artikulieren.
    Mertens stellte seinen halbvollen Kaffeebecher auf dem Rand des Springbrunnens ab. Er zog ein unbeschriftetes Kuvert aus der Innentasche seiner Jacke und reichte es mir. »Hier, lesen Sie das.«
    Ich musterte Broberg, dann den Umschlag. Zögernd nahm ich das Kuvert entgegen, öffnete es und zog ein maschinenbeschriftetes Blatt Papier heraus, der Ausdruck einer Email – an mich.
    Lieber Poul, las ich, heißt es nicht, selbst das Zufälligste sei nur ein auf entfernterem Wege herangekommenes Notwendiges?
    Ich schloss die Augen. Meine Befürchtungen verdichteten sich zur Gewissheit, und ich sah mich im Schnee versinken, tiefer und tiefer, bis ich schließlich den Boden meiner Abscheu erreichte, wo jeder Schrei unter Kilometer hohem Eis erstirbt…
    »Geht es Ihnen nicht gut?« Broberg hatte seine Hand an meinen Arm gelegt und blickte mich an.
    »Doch, alles in Ordnung«, beeilte ich mich zu versichern, »ich bin nur überrascht.«
    War ich das wirklich? Hatte ich es denn nicht von Anfang an geahnt? Seit der Schneeflocke, die mir am kurischen Strand ins Gesicht geweht war, seit ich DeFries’ Namen vernommen hatte … Hatte mich mein Instinkt je getäuscht?
    Aber es gab einen Ausweg: Ich konnte noch in dieser Minute kündigen …
    Mit zitternden Fingern las ich DeFries’ Brief und erfuhr, dass auch Chapmann mit von der Partie sein würde. Geteiltes Leid ist halbes Leid, dachte ich bitter. Bis dahin, endete das Schreiben, verbleibe ich Erwartung unseres Wiedersehens, Ihr Jon DeFries.
    Verstimmt schüttelte ich den Kopf, warf Chapmann einen knappen Blick zu, reichte Mertens den Ausdruck zurück und fragte: »Warum ich?«
    »Das Institut glaubt an Sie«, erklärte Broberg, während Mertens die Seiten gewissenhaft ins Kuvert zurücksteckte. »Es gibt weitaus renommiertere Kollegen, hier und an Akademien der ganzen Welt.« Ich rang mir ein schiefes Lächeln ab. Broberg wusste nur zu genau, wo er den Hebel anzusetzen hatte. Die Masse … die anderen … »Aber ich will Sie, weil Sie ein Idealist sind, offen für das Unmögliche …«
    »Das Unmögliche?«
    Broberg zuckte die Schultern und sah mich unverhohlen an. »Das Unbekannte. Sie versuchen nicht, Neues mit Altem zu beweisen, Poul, und das schätze nicht nur ich an Ihnen.«
    Ich versteckte meine zitternden Hände in den Hosentaschen, doch war ich sicher, dass mir jeder die Nervosität aus dem Gesicht las. Eine Vielzahl von Gefühlen hatte sich meiner bemächtigt, bildete eine schier unkontrollierbare Melange aus Panik, Reisefieber, Erschütterung, Abenteuerlust und dem Wissen um die Konfrontation mit meinem Dämon: dem Schnee. Ich hob den Blick und ließ ihn über die Dächer Kopenhagens wandern; nach Nordwesten, zum Horizont, in Richtung von Eis und Frost …
    »Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache«, räumte ich gedankenversunken ein.
    »Springen Sie über Ihren Schatten, Poul. Tun Sie Ihren Job so gewissenhaft, dass niemand, der nach Ihnen kommt, etwas entdeckt, das Sie übersehen haben. Wenn Sie in ein paar Wochen nach Kopenhagen zurückkehren, erwarte ich, dass dieser Krater nur noch als Postkartenmotiv taugt. AMES hat Sie für diese Expedition vorgeschlagen. Genauso gut hätten die Institute in Odense oder Alborg das Los ziehen können…«
    »Dann habe ich wohl keine Wahl«, murmelte ich.
    »Aber natürlich, Poul.« Broberg hob süffisant eine Braue. »Sie haben die Wahl zwischen einer Reise mit dem Schiff oder mit dem Flugzeug.«
    »Ich würde zuvor gerne noch Dr. Jorgensen treffen«, fiel mir ein. »Einige zusätzliche Informationen über den Impakt wären von Vorteil. Ich springe ungern ins kalte

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