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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Wasser.«
    Broberg wirkte plötzlich verschlossen. »Das ist im Augenblick nicht möglich«, erklärte er.
    »Ist er denn nicht in Kopenhagen?«
    »Sagen Sie es ihm«, forderte Patel mit ruhiger Stimme.
    Chapmann schürzte die Unterlippe, Mertens bedachte den Kanadier mit einem grimmigen Blick. Broberg kniff sich in den Nasenrücken und hypnotisierte den Kiesbelag. Natürlich wusste es jeder außer mir. Ich war der Einzige in dieser illustren Runde, der seit Beginn des Symposiums dumme Fragen stellte. Ich war für Wiederholungen verantwortlich. Für Zeitschleifen. Für Zeitverschwendung. Erst, wenn man sich in einer solchen Situation befindet, wird einem bewusst, wie schnell sich die Welt weitergedreht hat, während man fern der Heimat ein paar Tage lang im Orbit eines anderen Menschen kreiste. Ich kam mir dumm vor. Mindestens eine Woche zu dumm …
    »Dr. Jorgensen liegt mit einer schweren Lungenentzündung im Rigshospital«, erklärte Broberg. »Auf Intensiv. Womöglich ein Souvenir des arktischen Klimas. Er darf keinen Besuch empfangen.«
    Ich hatte mir eine Zigarette angesteckt. »Ist es so schlimm?«
    »Es ist ernst«, bestätigte Mertens.
    »Ihre Abreise ist für kommenden Dienstag geplant«, wechselte Broberg das Thema. »Stewart wird bereits morgen mit Oberst Richards in die Staaten zurückkehren, um das AMES zu unterrichten. Er wird dann zwei Tage später zur Breva-Mannschaft stoßen. Ihre Ausrüstung erhalten Sie bereits vorab. Zusätzlich zum Feld-Lab wird Ihnen das AMES-Institut eine vollständige Spektrometerausrüstung zur Verfügung stellen.«
    »Sie wollen hochempfindliche wissenschaftliche Geräte nach Grönland transportieren lassen, von denen jedes einzelne so groß ist wie ein VW-Käfer?«, staunte ich. »Dort oben herrschen Temperaturen von bis zu vierzig Grad unter dem Gefrierpunkt, die Plastik bei der geringsten Deformation brechen lassen, ganz zu schweigen von Blizzards, Wolkenbrüchen und Orkanen!«
    Chapmann lächelte nachsichtig. »Sie arbeiten ab heute mit der NASA zusammen, Poul«, erklärte er. »Seit der Pathfinder-Mission hat sich einiges geändert. Wir hatten für den Sojourner-Rover schon damals ein robustes, hitze- und kälteresistentes APXS entwickelt, das Sie in einem Aktenkoffer hätten transportieren können – mitsamt Ihrer Thermoskanne und ihrer Frühstücksbox. Sicher, das war ein Sondermodell für den Mars, aber Sie erhalten von uns Feld-Spektrometer, die nicht größer sind als Mikrowellengeräte. Und jetzt lächeln Sie mal zur Abwechslung!«

 
4
     
     
    Ich entschied mich fürs Fliegen. Zumindest bis hinauf nach Reykjavic. Von dort aus ging es mit der Fajir, einem dänischen Frachtschiff, weiter nach Nordwesten. Die Fahrt bot mir Muße genug, um mich innerlich auf das vorzubereiten, was mich am Ziel meiner Reise erwartete. Natürlich hätte ich mit dem Flugzeug bis Grönland durchfliegen können, doch die einzigen beiden nicht militärisch genutzten Flughäfen bei Godthåb und Søndre Strømfjord lagen an der Südwestküste und damit fast doppelt so weit von meinem eigentlichen Ziel entfernt wie die isländische Hauptstadt. In der Zeit, die ich benötigt hätte, um als Alternative die amerikanische Thule-Airbase zu erreichen und von dort nach Scoresby zu gelangen, hätte ich den Sund von Kopenhagen aus auch mit dem Schlauchboot erreicht.
    Bereits am Morgen des 18. Juni lief die Fajir von Reykjavic aus. Es war viel zu kalt für die Jahreszeit, und wenn ich an Deck ging, blies mir der Wind innerhalb weniger Minuten das letzte Erg Wärme aus dem Körper. Sämtliche Zeit, die ich nicht für meine Vorbereitungen oder zum Schlafen verwendete, verbrachte ich mit dem Schlürfen heißer Getränke und dem Verteufeln des Polarkreises. Die knapp zwei Tage bis zur grönländischen Küste dehnten sich zu einer Ewigkeit. Irgendwann suchte ich in meiner Kabine vor dem Laptop Zuflucht und studierte sämtliche Schriftdokumente sowie DeFries’ Fotografien. Dabei erlebte ich eine Überraschung: Broberg hatte während der Konferenz nicht alle Aufnahmen vorgeführt. Zwei uns allen vorenthaltene Bilder zeigten den oberen Abschnitt eines großenteils noch unter dem Eis liegenden Reliefs, das in die Außenwand des Gebäudes gemeißelt war. Trotz einer gestochen scharfen Nahaufnahme konnte ich nicht erkennen, was es darstellte. Eine Meßlatte, die DeFries auf dem letzten Foto an das Relief hielt, ließ erkennen, dass es mindestens zwei Meter lang sein musste. Die Zeichen, die unterhalb der

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