Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
Vom Netzwerk:
wartete reglos und geduldig, bereit, sich jedem Fluchtversuch meinerseits in den Weg zu stellen. Aber ich dachte inzwischen nicht mehr an Flucht. Eine dieser Kreaturen hatte Nauna durch die Luft fortgeschleppt. Es würde den Aqunaki sicher nicht schwer fallen, mich trotz der Dunkelheit wieder einzufangen.
    »Wo ist Nauna?«, wollte ich wissen.
    Sie ist am Leben, summte die Stimme in meinem Kopf. Wir führen dich zu ihr. Der Kreis muss geschlossen werden. Folge uns nun!
    »Wohin? Was habt ihr mit uns vor …?«
    Diesmal glühte das schneckenförmige Organ des Aqunaki kurz und intensiv auf, und in meinem Kopf explodierte ein Schmerz, der mich stöhnend in die Knie sinken ließ. Der Schmerzimpuls währte kaum eine Sekunde, doch er verfehlte seine Wirkung nicht.
    Keine weiteren Fragen, Poul Silis!, herrschte mich die Stimme des Wesens an. Du erhältst alle Antworten, wenn die Zeit reif ist.
    Benommen richtete ich mich wieder auf. Dabei achtete ich nicht nur auf meine Bewegungen, sondern auch auf meine Gedanken. Ich versuchte, in meinem Kopf Leere zu erzeugen, Stille. Es wollte mir in Anbetracht der Situation nicht recht gelingen. Der Aqunaki wies mir den Weg, indem er ein Bild in meinen Kopf projizierte: bergauf; seinem Artgenossen folgen …
    Über dem Horizont graute bereits der Morgen, doch die Flanke des Mount Breva ragte weiterhin als düstere, unheilvolle Wand über mir empor. Schweigend lief ich vor dem Aqunaki her durch die Ruinen des Dorfes. Die hohe, schmale Felsspalte erkannte ich erst als solche, als ich unmittelbar vor der Steilwand stand und dennoch von weiter hinten, tief aus dem Inneren des Berges, ein diffuses, bernsteinfarbenes Glühen wahrnahm, das einen abwärtsführenden Stollen erhellte.
    Für einen Augenblick hielt ich im Schritt inne. Mein Blick wanderte zum Silberschweif am Horizont, dann wieder hinab in den Tunnel. Die Silhouette des Aqunaki, der die Vorhut bildete, zeichnete sich vor dem Glühen aus der Tiefe ab. Sein Schatten wirkte wie der einer riesigen geflügelten Tarantel, die in ihre Höhle kroch.
    Geh weiter!, vernahm ich die Stimme des Aqunaki hinter mir. Die Larven warten!
    Ich begriff den Sinn nicht sofort. Als ich endlich glaubte, die Bedeutung der Worte zu verstehen, hatte ich den Tunnel bereits betreten und trottete auf das ferne, unterirdische Glühen zu …
     
    Das nächste, woran ich mich bewusst erinnere, sind Dunkelheit, Kälte und unvorstellbare Schmerzen. Schmerzen, die mir die Stimme raubten und mich in den Wahnsinn zu treiben drohten.
    Vielleicht schrie ich meine Qualen sogar heraus; ich hörte meine Schreie nicht.
    Aus der Dunkelheit traf mich ein Lichtstrahl. Selbst er schien mir Schmerzen zu bereiten, meine Haut in Brand zu stecken, jede Nervenfaser meines Körpers zu versengen. Ein zweiter Lichtstrahl zuckte über mich. Ich wand mich, und der Schmerz schien sich in ein tollwütiges Tier zu verwandeln, das sich auf meiner Haut austobte.
    Stimmen drangen dumpf an meine Ohren. Es waren die Lichter, die sprachen, glaubte ich, oder irgendetwas dahinter. Ich vernahm Schritte, dann ein Schlurfen, als rutsche jemand eine kurze Schräge hinab. Das Licht wurde intensiver, leckte über meinen Körper.
    Mein Körper …
    Ich starrte auf das, was das Licht offenbarte.
    »Poul?«, hörte ich eine Stimme. »Poul, sind Sie das?«
    Mein Körper, hämmerte es in mir. Meine Haut … die Schmerzen …
    »Jon – « Ich leckte mir mit der Zunge über die geschwollenen Lippen. »Jonathan …?!«
    Jemand stand neben mir. Ich hörte die Person hektisch atmen. Dann erneut ihre mühsam beherrschte Stimme: »Jesus, Poul – was ist mit Ihnen geschehen …?«

 
16
     
     
    »… dann traf mich das Licht Ihrer Lampe. Den Rest kennen Sie.« Ich musste schlucken und öffnete bittend meine Lippen.
    DeFries nickte gedankenversunken. Zum wiederholten Mal führte er das Trinkröhrchen an meinen Mund und wartete geduldig, bis ich meinen Durst gestillt hatte. Dann stellte er den Kunststoffbehälter neben sich ab und stoppte die Aufnahme des Rekorders. Er starrte das Gerät an, als könne er immer noch nicht glauben, die Geschichte, die ich ihm erzählt hatte, tatsächlich auf Band gespeichert zu haben. Vielleicht hoffte er auch, dass das Gerät das Geheimnis von sich aus lüftete. Dass die unerzählte Geschichte aus dem Lautsprecher dringen würde; jene Stunden oder Tage, die in meiner Erinnerung fehlten und eine Antwort darauf geben würden, wie ich zu dem wurde, was ich nun bin.
    Drei komplett

Weitere Kostenlose Bücher