Imagon
besprochene und beschriftete Kassetten lagen neben DeFries auf einem kleinen, fahrbaren Tisch, eine vierte befand sich zur Hälfte bespielt im Rekorder; mein mehr als fünf Stunden umfassendes Audioprotokoll aus einer Welt jenseits der Zeit.
In dem weißen Kunststoffbehälter, aus dem DeFries mir während der letzten Stunden zu trinken gegeben hatte, befand sich mit Vitaminen angereichertes Wasser. Rijnhard hatte angeordnet, dass ich dem quälenden Durst zum Trotz nur kleine Schlucke zu mir nehmen durfte. Sobald DeFries auffiel, dass ich zu gierig an dem Röhrchen sog, zog er den Behälter sofort zurück.
Die gesamte Sitzung hatte ich in einer Wanne aus öligem Schaum verbracht. Rijnhard nannte es schlicht ein Wärmebad. In Wirklichkeit war es ein Therapiebad für Schwerbrandverletzte. Der Schaum bewirkte, dass meine Haut geschmeidig blieb und wegen des Immunglobulinmangels, unter dem ich seit meiner Rückkehr litt, vor Infektionen geschützt wurde. Lediglich mein Kopf war frei von Schaum. Statt dessen war er mit Fettcreme einbalsamiert und dick einbandagiert. Mit den Binden und dem, was von meiner Haut übriggeblieben war, wirkte ich wie eine nach Jahrtausenden reanimierte Mumie.
Aus dem Schaum führten ein halbes Dutzend Kabel und Infusionsschläuche zu einer Monitorstation und zu einem Infusionsständer. Erstere überwachte meine Körpertemperatur und meinen Puls, letzterer versorgte mich intravenös mit Nahrung und Flüssigkeitsersatz. Momentan lag meine Temperatur bei konstant 38,8 Grad Celsius. Ich fühlte mich jedoch nicht krank – zumindest nicht, als hätte ich Fieber.
Nachdem DeFries stundenlang ununterbrochen gesessen und gebannt meiner Erzählung gelauscht hatte, erhob er sich nun stöhnend und schlurfte zur Tür. Er öffnete sie halb und murmelte etwas in den Nachbarraum. Im Türspalt erkannte ich kurz Rijnhard und Maqi. Zweifellos informierte DeFries den Arzt darüber, dass er die Aufzeichnungen abgeschlossen hatte. Rijnhard bat DeFries zu sich heraus. Maqi schloss die Tür von außen. Ich war mir sicher, dass er pflichttreu hinter ihr stehen blieb.
Es vergingen ein paar Minuten, ehe sich die Tür erneut öffnete und Rijnhard mit einem Bündel handschriftlicher Notizen und Computerausdrucken hereinkam. Er sah mich nur schweigend an, als er zu dem Drucker ging, der neben dem Überwachungsmonitor stand. Stumm nahm er die neuen Protokolle von der Ablage und fügte sie dem Stapel in seiner Hand hinzu. Eine Weile studierte er die neu gewonnenen Informationen und verglich sie mit denen, die er bereits besaß. Offensichtlich nicht viel klüger geworden, legte er die Ausdrucke wieder beiseite. Seine Verwirrung schien sich fast schon als übermächtiges Wesen neben ihm zu manifestieren. Mit Daumen und Ringfinger griff er sich an die Nasenwurzel und massierte übermüdet seine Augen. Als er schließlich ein Diktiergerät aus seiner Jackentasche zog und dicht vor seine Lippen hielt, klang seine Stimme erschöpft und kraftlos. Er wandte sich vorsorglich von mir ab und sprach leise, doch es war keine Kunst, die meisten seiner Worte im engen Containerraum zu verstehen. Womöglich glaubte Rijnhard, mein Gehör habe unter dem, was mir widerfahren war, ebenfalls gelitten, doch dem war nicht so. Zugegeben, meine Haut war völlig empfindungslos, aber meine restlichen Sinne waren sensibilisiert wie selten zuvor.
»… stehen die Erhaltung und Stabilisierung seiner Vitalparameter«, hörte ich Rijnhard murmeln. »Eine Anamnese ist meines Erachtens nicht unbedingt erforderlich. Ich habe diverse Verweilkatheder gelegt. Bewegungseinschränkung herrscht nicht vor. Zur Kontrolle des Hydrationszustandes dienen primär die Stundenharnmengen, der Hämatokrit- sowie der zentralvenöse Druckverlauf. Die Ernährung erfolgt inzwischen oral in Form von Energie- und Eiweißsubstraten. Probleme ergeben sich jedoch durch die Anorexie des Patienten.
Der großflächige Defekt seines Hautmantels bewirkt zudem eine Störung der Temperaturregulation. Der Patient bedarf daher einer erhöhten Raumtemperatur von bis zu 35 Grad Celsius. Ob eine Infektionsgefährdung oder Sepsisgefahr besteht, ist noch unklar. Zur Analyse habe ich etwas Narbengewebe operativ entfernt. Die erste Diagnose … « Rijnhard stockte und sah kurz über seine Schulter. Als er feststellte, dass ich ihn beobachtete, senkte er den Blick und wandte sich wieder ab. Einige Sekunden zögerte er, dann fuhr er fort: »Die Versorgung der Haut erfolgt überwiegend durch
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