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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Moränen, paapeqta – samt und sonders zermalmt von Myriaden Tonnen von Eis. Und irgendwo dort unten wartete ein gigantisches, schlummerndes Etwas aus einer anderen, unbegreiflichen Welt auf die Dunkelheit …
    Die Grabungen am Eistempel waren seit meiner Rückkehr zum Erliegen gekommen. Der Kompressor stand still, die Arbeiter hatten sich in die Wohncontainer verkrochen. Alle warteten selbstergeben auf den Sturm von der Küste. Er schien unausweichlich. Fast war ich geneigt zu glauben, dass sich DeFries und seine Leute freiwillig in die Isolation zurückgezogen hatten, um auf das Militär und die Seucheneingreiftruppe zu warten. Niemand zweifelte mehr daran, dass sie kommen würden. In fünf Minuten, in fünf Stunden oder in fünf Tagen. Die Arbeiter und Wissenschaftler warteten auf ihr jüngstes Gericht. Ich konnte mir ein spöttisches Lachen nicht verkneifen. Ja, Armageddon würde kommen; aber bestimmt nicht aus der Luft, sondern aus der Tiefe …
    Das winzige rote Hütchen, das weiterhin auf dem Nunataker in der Kratermitte stand, amüsierte mich. Sogar meine unter den roten Zelten verborgenen Messgeräte standen sinnloserweise noch an Ort und Stelle. Vielleicht würde ich sie im Laufe des Tages einsammeln. Vielleicht würden es auch jene tun, denen sie wirklich etwas wert waren. Die AMES-Leute zum Beispiel, die den Kram mit finanziert hatten. Ich zweifelte nicht daran, dass sie an der Eingreiftruppe beteiligt sein würden. Nicht wegen der Millionen von Dollar an vereister Hi-Tech, die im Krater und in meinem Container stand, sondern wegen Chapmann.
    Seit dieses Gallertding in ihn eingedrungen war, waren – zumindest für die anderen hier – kaum drei Tage vergangen. Der Amerikaner siechte nach wie vor im Infra-Block vor sich hin. Inzwischen traute sich außer Rijnhard niemand mehr zu ihm hinein. »Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt«, hatte er mir geantwortet, als ich mich nach dem Amerikaner erkundigt hatte und wissen wollte, wie es um ihn stand. Doch selbst er vertrat inzwischen die Ansicht, dass man Chapmann einfach sich selbst überlassen sollte. »Man glaubt immer, dass der nächste Infizierte dem, was ihn befallen hat, Paroli bieten kann. Dass sein Metabolismus mächtiger ist als das, was ihn zu zerstören versucht. Aber auch Chapmann ist nicht stark genug. Niemand scheint es bekämpfen zu können. Es ist zu erbarmungslos, zu …« – Rijnhard hatte gestockt, als habe er mit sich kämpfen müssen, das Wort über seine Lippen zu bringen – »… zu intelligent«, hatte er schließlich geknurrt. »Das Vernünftigste wäre, den Container abzuschotten und alle Türen und Ritzen abzudichten. Und entsprechend zu handeln, sobald es soweit ist.«
    Daraufhin hatte er mir das Hypnoseprotokoll in die Hand gedrückt und sich beschäftigt gegeben.
    Ich hatte nicht vorgehabt, die Aufzeichnungen in Rijnhards Quartier oder etwa in der Stationsküche zu lesen. Seit meiner Rückkehr fühlte ich mich in den Containern eingeengt, wie ein Tier, das eingefangen und in eine Box gesperrt worden war. Ein Laboraffe, der das Springen und Klettern in Baumwipfeln gewohnt ist und plötzlich in einem drei Quadratmeter großen Quarantänekäfig sitzt. Mein Lagerkoller drängte mich ins Freie.
    Auf der Suche nach einem ruhigen Ort machte ich einen Schlenker um den Infra-Block. Vor Notunterkunft B traf ich erneut Stomford – mit einem Flammenwerfer in der Hand. Er versprühte eine Mischung aus Verstörtheit, Deprimiertheit und Entschlossenheit. Mein überraschendes Auftauchen und der Anblick, den ich ihm bot, sorgten nicht gerade dafür, dass es ihm besser ging. Für ihn gehörte ich in denselben Container wie Chapmann.
    »Wie geht es ihm?«, fragte ich. Stomford zuckte als Antwort nur mit den Schultern. Er zog eine Zigarette aus der Tasche und lief ein paar Schritte (vor mir) davon. Dabei tat er so, als müsse er so weit in den Windschatten laufen, um sein Feuerzeug in Gang zu kriegen. Den Rücken zu mir gekehrt, lümmelte er in einiger Entfernung herum und rauchte mit in den Nacken gelegtem Kopf. Wahrscheinlich lauschte er, ob sich meine Schritte wieder entfernten.
    Von Chapmann war kaum etwas zu erkennen. Die Scheibe im Inneren perlte immer noch vor Feuchtigkeit und Hitze, und die halb bekleidete Form auf dem Bett bewegte sich nicht. Aber sie besaß eine nassglänzende, schillernd-blassrosa Farbe, die mich an eine Meeresschnecke erinnerte, keinesfalls aber an einen Menschen. Ich konzentrierte mich auf Chapmanns Knochen, die

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