Imagon
der Chemiker sich das schmerzende Kreuz und DeFries sich den scheinbar komplett schmerzenden Körper hielt, hatte Rijnhard beschwichtigend die Hände erhoben.
»Quiqueg geht jetzt ans Funkgerät«, erklärte ich leise und so gleichmütig, dass Rijnhard völlig vergaß, seine Hände wieder herunterzunehmen. »Und niemand von euch wird mich daran hindern.«
DeFries warf dem Arzt einen verwirrten Blick zu. Rijnhard runzelte nur die Stirn und winkte ab. »Sie sind krank, Silis«, urteilte er.
Ich ließ Maqi zu Boden sinken, wo er mit schmerzverzerrter Miene sitzen blieb. »Lassen Sie mich das entscheiden, Rijnhard«, entgegnete ich entschlossen. »Nur weil ich Ihre bescheidene Medizinerwelt verlassen habe und hinter Ihren Bewusstseinshorizont verschwunden bin, bin ich nicht zwangsläufig auch geistig umnachtet. Viele Dinge, vor denen Sie Angst haben und hilflos kapitulieren müssen, habe ich weitaus klarer vor Augen als Sie. Und ich erfreue mich bester geistiger Gesundheit. Falls Sie mit meinen Fähigkeiten nicht zurecht kommen und Ihnen meine Biowerte Angst einjagen, dann halten Sie gefälligst Distanz zu mir.« Ich sah in die Runde. »Das gilt für alle!«
Mit diesen Worten hob ich das Mikrofon vom Boden auf und schloss es wieder ans Funkgerät an. Obwohl ich mich abgeklärt gab, war ich innerlich völlig aufgewühlt. Maqi in die Luft zu heben, hatte mich kaum Kraft gekostet. Irgendetwas Beunruhigendes ging mit mir vor, und die Demonstration meiner selbst für mich überraschenden Kräfte verfehlte ihre Wirkung nicht. Niemand versuchte mich an meinem Tun zu hindern.
»Was sind Sie?« Hagens Stimme klang feindselig.
»Fragen Sie doch Talalinqua«, antwortete ich, nachdem der Kanalsuchlauf die Frequenz für Mestersvig gefunden hatte. »Hansen?«, rief ich ins Mikro.
»Vergessen Sie’s«, murmelte DeFries halb laut.
»Hansen, ich weiß, dass Sie mich hören können«, fuhr ich unbeeindruckt fort. »Melden Sie sich!« Stille. Rauschen. Ich wartete dreißig Sekunden, dann rief ich: »Wer ist bei Ihnen, Hansen? Mertens? Oder Richards? Störe ich Sie beim Verhör? Mitgeflogen, mitgelogen, was?« Weiterhin Rauschen aus dem Lautsprecher. »Ich verlange nur, dass Sie mir eine Frage beantworten, Hansen. Sie betrifft einzig und allein mich und ist rein persönlich. Es geht um die Geschichte, die Sie mir neulich erzählt haben. Um diesen Anuka, dessen Schwester eines Nachts verschwunden sein soll, erinnern Sie sich? Sie haben sie mir erzählt, als wir in Rounos Haus zu Abend gegessen haben …«
Aus dem Lautsprecher drang eine rasche Folge abgehackter Pfeiftöne, dann Hansens gedämpfte Stimme: »Ich muss Sie darüber informieren, dass dieses Gespräch abgehört wird, Silis! Sie sind für alles, was Sie sagen, selbst verantwortlich.«
Hinter mir erklangen diverse Laute des Staunens. Ich verzog den Mund zu einem selbstgefälligen Grinsen. »Und wenn der Himmel voller Mikrofone hängen würde, es ist mir scheißegal.«
»Na schön, Ihre Sache«, meinte Hansen.
Rijnhard betrachtete meine Äußerung als Aufforderung, sich hinter mir auf einen Stuhl zu setzen.
»Sind Sie allein?«, fragte ich.
»Ja«, antwortete Hansen nach einer kurzen Pause. Natürlich, dachte ich. Er hätte selbst ›Ja‹ gesagt, wenn der Ü-Wagen mitten in seinem Wohnzimmer geparkt hätte. »Was wollen Sie wissen?«
»Zuerst den Familiennamen von diesem Ruono.«
»Br0nlund.«
Mein Herz übersprang einen Schlag. Ich sah über die Schulter zu Rijnhard, der mich wie ein Raubvogel beobachtete. DeFries hingegen sah forschender drein. Meine Stimme zitterte leicht, als ich das Mikrofon ein Stück heranzog und fragte: »War der Name von Anukas vermeintlicher Schwester zufällig Nauna?«
»Ja«, erklang Hansens überraschte Stimme. »Woher …?«
Ich atmete tief aus, was auch dem Piloten am anderen Ende der Leitung nicht entgehen konnte. Ich wusste, dass sich der rätselhafte Ereigniskreis nun schloss. Jene innere Stimme, die mir das sagte, war mächtig. So mächtig, dass sie mir für Sekunden die Worte raubte.
»Ich habe eine Bitte, Hansen: Stellen Sie keine Fragen zu dem, was ich von Ihnen wissen möchte.«
Der Pilot schwieg. Es war zweifellos ein ›Ja‹.
»War es Anuka oder sein Vater, der Nauna vor zehn Jahren im Eis fand?«
Ich konnte Hansen buchstäblich schlucken hören. »Es war Ruono.« Die Stimme des Piloten war dünn vor Bestürzung.
»Nauna war damals schwanger, nicht wahr?«
»Ja.«
»Was ist aus dem Kind geworden?«
Die Blicke von
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