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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Einfassung zu sehen waren, ähnelten drei nebeneinander stehenden Ts. Links neben jedem Symbol befand sich eine diagonale, vom T weg geneigte Kerbe, die von einem kleinen Kreis gekrönt wurde. Ganz links waren knapp über der Eisoberfläche nochmals zwei Kreise zu erkennen.
    Ich schloss die Datei und blickte eine Weile auf den Monitor. Ein kleines, blau eingerahmtes Foto von Nauna unterbrach den grauen Bildschirmhintergrund. Gedankenverloren strich meine linke Hand über den Talisman unter meinem Pullover. Ich zog ihn hervor, streifte ihn über den Kopf und behielt ihn in der offenen Hand. Er war aus Silber, besaß die Größe einer Fünf-Kronen-Münze und die Form einer stilisierten Sonnenscheibe, deren elf Strahlen von einem Ring eingefasst waren. In das Zentrum der Sonne waren zwei Augen eingraviert.
     
    Als ich zum ersten Mal von Nauna hörte, kurierte ich gerade in Nyk0bing eine hartnäckige Virus-Infektion aus. Seit über zwei Wochen hatte ich das Haus nicht mehr verlassen, nachdem ich zuvor mehrere Tage mit Verdacht auf Malaria oder hämorrhagisches Fieber in Kopenhagen auf der Quarantänestation des Krankenhauses festgehalten worden war. Die Ärzte hatten ausschließen wollen, dass ich mich gegen Ende einer zweimonatigen Exkursion durch den Südwesten Malis mit einem der Erreger infiziert hatte.
    Während der europäischen Wintermonate flüchtete ich mit Vorliebe in den Süden, bündelte in diese Zeit einen Großteil der Arbeit, die ich für das Institut außer Landes leistete. Die Pilotin eines Versorgungsflugzeuges hatte Ende Februar etwa zweihundert Kilometer nördlich der Stadt Kita aus der Luft ein rund zwei Quadratkilometer großes Feld mit mutmaßlichen Einschlagskratern entdeckt. Die Mitteilung des geologischen Instituts in Bamako kam per Fax. Es existierten weder genaue Koordinaten noch Fotos, nicht einmal eine exakte Flugroute, die eine Positionsbestimmung erlaubt hätte. Die Savannenpiloten fliegen dorthin, wo sie gebraucht werden, und landen ihre Maschinen, wo sie es für machbar halten. Flugplätze und feste Flugrouten: Fehlanzeige. Die Steppe ist die Piste. Wir hatten über drei Wochen gebraucht, um das Gebiet aus der Luft wieder zu entdecken und anschließend mit mehreren Geländewagen vor Ort zu gelangen.
    Ich war mit allen erforderlichen Impfungen und Prophylaxen versehen gewesen und wurde daher zunehmend unruhiger, als sich mein Gesundheitszustand während des Heimfluges rapide zu verschlechtern begann. In meinem Kopf lief bereits ein Film ab, was mich erwartete, falls es ein hämorrhagisches Fieber war. In Kopenhagen war ich wie eine wandelnde Leiche aus dem Flugzeug gestiegen.
    Zu meiner grenzenlosen Erleichterung entpuppte sich die rätselhafte Infektion nur als schwere Grippe. Mein Arzt verordnete mir absolute Ruhe; Bettruhe, um genau zu sein. Die Höchststrafe. Nicht, dass es mich wirklich aus dem Haus gezogen hätte; zumindest nicht in der ersten Woche, während der ich fast nur im Bett lag und unter Gliederschmerzen litt. Ich öffnete nicht einmal die Rollläden. Meine Ex sorgte währenddessen für mein leibliches Wohl. Jeden Morgen zwischen neun und zehn Uhr klingelte sie, und wenn ich die Haustür öffnete, stand eine Tüte mit Lebensmitteln und der Tageszeitung auf der Abtrittmatte, manchmal auch mit einer DVD. Schnee, der auf Zedern fällt zum Beispiel. Ich war sicher, sie hatte den Titel absichtlich ausgewählt … Von meiner Ex sah ich zumeist nur noch ein Winken aus dem Wagen heraus – wenn ich Glück hatte. Sie war in dieser Beziehung rigoros. Kein Kontakt. Sie konnte es sich in ihrem Job nicht leisten, krank zu werden, sagte sie.
    Nach zwei Wochen als Gefangener in den eigenen vier Wänden war ich völlig deprimiert. Ich glaube, man hätte mich zum Kartoffelschälen auf ein sinkendes U-Boot einladen können – ich wäre ins Auto gestiegen und hingefahren. Ich begann, ein neues Buch zu schreiben, konzeptlos, einer Intuition folgend, kam auf keinen grünen Zweig und machte den Fehler, meine schlechte Laune mit einer Flasche Wein aufbessern zu wollen. Nach der darauffolgenden schlaflosen Nacht ging es mir ziemlich beschissen. Ich hatte mir den Magen verdorben, mein Verdauungssystem war völlig durch den Wind. Ich plagte mich mit Krämpfen und nervlicher Überreizung, die dazu führte, dass selbst die Kleidung auf meiner Haut schmerzte. Meine Laune stand auf dem Gefrierpunkt. Im Kontrast dazu begegnete mir meine Umwelt mit einer Art absolut irrationaler Fröhlichkeit. Der

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