Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
Vom Netzwerk:
sagten Sie eben: infiziert?« Mertens sah bestätigend zu Broberg und jener Person, die links außen saß. Dann, wieder an uns gewandt: »Lassen Sie mich Ihnen jemanden vorstellen.«
    Die Kamera wanderte nach rechts und rückte eine Person ins Bild, die mich scharf die Luft einziehen ließ – denn ich erkannte sie wieder. Der geheimnisvolle Dritte war kein anderer als jener schweigsame Nadelstreifenträger, der dem Symposium in Kopenhagen beigewohnt hatte und nach der Konferenz so klammheimlich verschwunden war. Seine Augen zeigten noch immer diesen gelangweilt-lauernden Ausdruck, der ihm bereits im Institut angehaftet hatte. Für ein paar Sekunden wirkte er desorientiert, als sei ihm sein Anliegen entfallen, dann sagte er mit nasaler Stimme: »Mein Name ist Krogh. Ich untersuche diesen Fall im Auftrag des Zentrums für Seuchenkontrolle in Atlanta und unterstehe Dr. Jeffrey Koplan. Professor DeFries, erklären Sie mir doch bitte: Wie infiziert man sich mit Krebs?«
    DeFries sah nur kurz auf, ehe er leise antwortete: »Sie wissen ebenso gut wie ich, dass einige Keime im Erbgut von Viren ein Onkogen tragen, welches sie bei der Infektion an den Wirt abgeben. Schleust ein derartiges Virus seine Nukleotide in den Kern einer Wirtszelle ein, reagiert diese nicht mehr auf die sie kontrollierenden Signale des Körpers und wird zur wuchernden Tumorzelle.«
    »Sie bestätigen also, dass Dr. Jorgensen und Sie sich mit einem Virus infiziert haben?«
    »Nein!«, begehrte DeFries energisch auf. »Ich haben Ihnen lediglich eine informative Antwort gegeben.«
    »Hatten sich Soerensen, Tielles und Ericksen auf dieselbe Art und Weise infiziert wie Sie und Dr. Jorgensen, Professor?«
    DeFries zögerte lange mit seiner Antwort. Spätestens jetzt war der Zeitpunkt gekommen, zu dem jeder von uns begriff, dass wir das Habitat nicht so bald wieder verlassen würden.
    »Nein«, sagte DeFries schließlich kaum hörbar. Dann sah er direkt in die Kamera. »Bitte, geben Sie mir meine Medizin zurück …«
    Krogh knetete seine Augen und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Er zog das Fläschchen zu sich heran und betrachtete es mit einem mitleidigen Stirnrunzeln. Dann erhob er sich aus dem Sichtfeld der Kamera, und man hörte ihn an etwas herumhantieren. »Dr. Rijnhard«, hörten wir seine Stimme, »Sie kennen sich doch hoffentlich noch damit aus …« Es folgte ein Geräusch, das mich an eine veraltete Rohrpostanlage denken ließ und als leises Überdruckzischen in unserem Raum endete.
    Rijnhard sah sich um, erhob sich und ging zu einem der Wandsegmente. Er bediente den Touch-Screen, und die Wand glitt eine Handbreit auf ihn zu, worauf der Arzt sie zur Seite schob. Dahinter befand sich tatsächlich so etwas wie ein Rohrpost-Bahnhof, aus dem Rijnhard nun einen Kunststoffbehälter zog.
    »Wir haben die Leichen exhumiert«, informierte uns Krogh, nachdem Rijnhard das Pillenfläschchen an DeFries weitergereicht hatte. »Zugegeben, wir … hm, waren gelinde gesagt überrascht, als wir erkannten, was wir gefunden hatten. Warum sind die Körper verbrannt?« Niemand von uns antwortete. »War es einen Unfall?«, hakte Krogh nach. »Oder Absicht? Vielleicht möchten Sie etwas dazu sagen, Mr. Silis …«
    Ich schielte auf meine Hände. Oberflächlich betrachtet konnte man meine Narben tatsächlich für Verbrennungsmale halten. »Diese Sache geschah vor meiner Ankunft auf der Station«, wehrte ich ab. »Ich weiß darüber nichts.«
    Krogh verzog die Mundwinkel. Er griff neben sich und begann, Unterlagen vor sich zu stapeln; langsam und so deutlich, dass jeder von uns erkennen konnte, welche – und wessen – Dokumente gerade auf den Tisch wanderten: DeFries’ Notizbücher, unzählige Computerausdrucke, das Hypnoseprotokoll, die Tonbandaufnahmen, E-Mail-Korrespondenzen, Rijnhards Krankenakten, ein Stapel CDs und Disketten … Am Ende sah man Krogh kaum noch. »Wissen Sie«, erklang seine Stimme hinter der demonstrativen Anhäufung von Belastungsmaterial, »ich frage mich immer, warum Menschen versuchen, das Offensichtliche zu leugnen.« Er schob die Ordner beiseite und starrte uns durchdringend an. »Waren Sie schon einmal in einer Quarantänekammer der höchsten Sicherheitsstufe, meine Herren?«, fragte er scharf. »Falls nicht, so erkläre ich Ihnen gerne, wie dieses Habitat seit neuestem funktioniert. Kooperieren Sie – oder verbringen Sie die kommenden Wochen in diesem Raum. In dem Wandschrank zu Ihrer Linken finden Sie Getränke. Wir geben Ihnen

Weitere Kostenlose Bücher