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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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bequeme ›Abfahrt‹ wurde der Sitz eines Skidoos zweckentfremdet und zudem mit mehreren Xenon-Lampen aufgerüstet, die im Schacht für Licht sorgen sollten.
    Als man Soerensen am nächsten Morgen in das Schluckloch hinabließ und fast die gesamte Mannschaft sich versammelt hatte, um mitzuverfolgen, was er über die Mikrofonverbindung aus dem Schacht berichten würde, lief bis in eine Tiefe von etwa zweihundert Metern alles reibungslos. Soerensen informierte darüber, dass die Schachtwände weiterhin glattgewaschen und stabil waren und die Luft dem Messgerät zufolge sauber. Wenig später berichtete Soerensen, er höre ein eigenartiges Geräusch und nehme in der Tiefe einen schwachen Schimmer wahr. Seine Frage, ob man dieses Geräusch oben ebenfalls hören könne, verneinte die Mannschaft. Ericksen, der wie Rijnhard Arzt war, regte an, die Sache abzubrechen. Soerensen lehnte ab.
    Bis zu einer Tiefe von fast dreihundert Metern nahmen die beunruhigenden Schilderungen des Geologen zu. Er sprach von einem Flüstern aus der Tiefe und einem verlockenden Wind, der ihn umwehte. Irgendwann redete er nur noch wirres Zeug, was DeFries’ und die anderen dazu veranlasste, Soerensen wieder nach oben zu ziehen. Dieser erzählte inzwischen von einem kreiselnden Leuchten und einem flüssigen Gletscherboden, und davon, dass der Schacht sich wenige Dutzend Meter unter ihm zu einer gigantischen Halle öffnete.
    Als er bemerkte, dass man ihn wieder nach oben zog, begann er lautstark zu fluchen und dagegen zu protestieren, mit der Androhung, das Seil zu kappen. Er führte sich auf, als habe er am Grund des Schachts den Garten Eden erblickt und könne der Verlockung, dorthin zu gelangen, nicht mehr widerstehen. Ericksen vermutete, Soerensen habe irgendein Gasgemisch eingeatmet, das das Kitagawa-Prüfröhrchen nicht registrierte. Etwas, das seinen Verstand verwirrte und den Geologen fantasieren ließ.
    Plötzlich rief Soerensen, der flüssige, schillernde Boden unter ihm hebe sich und steige den Schacht empor. Hastig versuchte man nun, den Geologen heraufzuziehen. Dann hörte die versammelte Mannschaft eine Reihe furchtbarer Schreie, die abrupt abbrachen, und die Hydraulikwinde kam zum Stillstand. Es war, als habe sich Soerensens Sitzkonstruktion in der Tiefe verkantet. Im nächsten Augenblick zerrte etwas mit solcher Gewalt am Seil, dass die stabilen Stützfüße der Winde beinahe abknickten. Doch trotz aller Befürchtungen, das Seil könnte reißen oder die gesamte Winde der Zugkraft nicht standhalten und in die Tiefe stürzen, geschah weder das eine noch das andere. Statt dessen entspannte sich das Seil nach wenigen Sekunden wieder. Soerensen jedoch gab kein Lebenszeichen mehr von sich.
    So rasch es unter den Bedingungen möglich war, zog man den Geologen zurück an die Oberfläche. Soerensen hing leblos auf dem Skidoositz und schien von irgendetwas beinahe aus den Gurten gerissen worden zu sein. Nach wenigen Augenblicken an der Oberfläche bestätigten sich die schlimmsten Befürchtungen der Mannschaft: Soerensen war tot. Seine in Agonie erstarrten Gesichtszüge jedoch widerspiegelten das Grauen, das er in seinen letzten Sekunden erfahren haben musste.
    Bei der Obduktion der Leiche stießen Ericksen und Tielles auf etwas, das sie zutiefst beunruhigte: Soerensens gesamte Lunge war von einer gallertartigen Substanz erfüllt, an der er letztlich erstickt zu sein schien. Doch damit nicht genug. Große Teile seines Lungengewebes hatten sich verändert. Das Gewebe war transparent geworden, fast so, als würde der Schleim, der das Organ erfüllte, es auf eigenartige Weise assimilieren und umformen.
    Ericksen und Tielles führten die Obduktion allein durch, hielten den Verlauf der Leichenöffnung dabei aber mit einem Diktiergerät fest. Während der Autopsie geschah jedoch etwas Unvorhergesehenes: Ericksen, der gerade damit beschäftigt war, Flüssigkeits- und Gewebeproben aus der Lunge zu entnehmen, bemerkte erstaunt, dass sich das tote Organ bewegte. Einen Atemzug später hörte man ein sirrendes Geräusch und lautes Schreien. Tielles rief: »Zurück! Raus, raus …!« Dann folgte ein lautes Krachen, als kippe der Operationstisch, auf dem die Leiche lag, um. An dieser Stelle stoppte die Aufnahme.
    Als Rijnhard, Jorgensen und DeFries – vom Lärm alarmiert – den Raum betraten, lagen Tielles und Ericksen reglos am Boden. Sie schienen in eine Art Wachkoma gefallen zu sein, für das anfangs niemand eine Erklärung fand. Die Flüssigkeit, die

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