Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
Vom Netzwerk:
Sachen Zuständigkeit vorübergehend beigelegt. Die meisten der Kisten enthielten Racal-Anzüge, Medikamente, Akkus, Militärgasmasken, handbetriebene Pflanzenspritzgeräte, Gummihandschuhe und weitere Einzelteile der Freiland-Schutzanzüge sowie chirurgisches Equipment.
    Sobald sich unsere Augen an die vermeintliche Helligkeit gewöhnt hatten, wich diese auch schon warmem Dämmerlicht. Bei einem Blick über die Schulter stellte ich beunruhigt fest, dass die Sonne fast hinter den Horizont gesunken war. Ein niedriger, orangeroter Lichtdom hing noch über dem Inlandeis wie eine erstarrte, weit entfernte Atomexplosion. Auch DeFries war der Stand der Sonne aufgefallen. Seine Lippen waren zusammengekniffen, und über den Ausdruck von Schmerz legte sich ein sorgenvoller Schatten über sein Gesicht.
    Ich musterte die vier Soldaten, die uns zum Verhör führten. Es war unmöglich zu erkennen, was in ihren Gesichtern vorging. Jeder von ihnen hatte den goldfarbenen Blendschutz hinter dem Helmsichtfenster herabgelassen.
    Um ins Habitat zu gelangen, mussten wir nacheinander gebückt durch einen etwa zehn Meter langen, von UV-Licht erleuchteten Kunststofftunnel laufen, aus dem uns trockene, warme Luft entgegenblies. Dann ging es eine kurze Metallstiege hinauf zu einer Überdruck-Luftschleuse. Nachdem das Schleusentor sich fast geräuschlos hinter uns geschlossen und sämtliche Aktivitäten der Station ausgesperrt hatte, standen wir in einem kleinen, kreisrunden, spartanisch eingerichteten Raum. Die einzigen Geräusche waren das Summen einer Ventilation und ein leises, tiefes Brummen, das aus dem Boden drang. Die Innenwände des Habitats bestanden aus geschlossenen Segmenten, die womöglich Regale und Stellagen verbargen. Jedes von ihnen besaß einen kleinen Touch-Screen, mittels dessen sich das Wandsegment vermutlich öffnen und verschieben ließ. Vor einem mannshohen High-Tech-Monolithen gruppierten sich vier Kunstledersessel: Sie waren auf die von Rijnhard beschriebene Medienwand ausgerichtet, in die ein mächtiger TFT-Bildschirm, Lautsprecherboxen und eine Kamera installiert waren.
    »Meine Herren, bitte nehmen Sie Platz!«, erklang Mertens’ Stimme so unvermittelt aus den Boxen, dass jeder von uns erschrak.
    Nachdem wir uns gesetzt hatten, blieb es minutenlang still. Lediglich aus dem Raum über uns drangen gedämpfte Geräusche und Stimmen herab. Dann leuchtete der Bildschirm auf, und Broberg – einer lebenden Büste gleich – sah uns in die Augen.
    »Ich möchte nicht viel Zeit mit Begrüßungsfloskeln verlieren«, erklärte er ernst. »Nicht nach dem, was wir in den letzten Stunden gefunden haben.«
    Er schien Unterlagen zu studieren und fuhr dabei ohne aufzusehen fort: »Es gibt in unserem Metier eine Tugend namens Verantwortung, meine Herren. Verantwortung gegenüber sich selbst, gegenüber seiner Arbeit und seiner Umwelt – und gegenüber seinen Mitarbeitern und deren Familien. Ich zweifle, ob der fadenscheinige Grund, ein höheres Ziel zu verfolgen, es rechtfertigt, das uns vorgegebene Spielfeld aus Regeln und Gesetzen zu verlassen.
    Wir haben von Ihren Kollegen allerlei Abstruses, Irrationales und Abenteuerliches zu hören bekommen. Wir betrachten und verarbeiten diese Informationen so sachlich und neutral es uns möglich ist – selbst wenn wir nicht umhin können, sie im Stillen mit Attributen wie abnorm, beunruhigend oder alarmierend zu kommentieren. Und hin und wieder mit – entschuldigen Sie – unmenschlich und pervers.
    Sie verstehen sicher, dass wir viele Fragen haben. Allein der Anblick, den der eine oder andere unter Ihnen bietet, rechtfertigt in meinen Augen dieses Verhör.« Ich hatte das Gefühl, dass Broberg bewusst mich anstarrte, und entgegnete seinen Blick durch die Kamera. »Wir wissen nicht, was Sie wissen, und umgekehrt«, erklärte er nach einer kurzen Pause. »Aber wir werden es herausfinden.«
    Die Kamera im oberen Raum schwenkte nach links, und Mertens kam ins Bild. Er hatte die Hände fahrig vor seinem Mund gefaltet und stützte sein Kinn gegen seine Daumen.
    »Schön, Sie wiederzusehen, Dr. Silis«, begrüßte er mich. »Sie haben sich verändert …« Seine Worte sorgten dafür, dass Hagen, Rijnhard und DeFries mich mit Blicken erdolchten.
    »Verdammter Schnüffler …«, zischte Stomford kaum hörbar.
    »Davon kann keine Rede sein«, berichtigte ihn Mertens. »Dr. Silis wusste von nichts. Ach, übrigens: Dank leistungsstarker Mikrofone hören wir unten bei Ihnen sogar die Flöhe

Weitere Kostenlose Bücher