Imagon
husten.« Er hob einen mir wohl bekannten Computerausdruck ins Bild. »Was ist das?«
»Das wissen Sie genau«, gab Rijnhard zurück.
Mertens lächelte kühl. »Nun, mal angenommen, ich weiß es nicht …«
»Es ist ein Seismogramm«, erklärte Stomford.
»Wie wird so etwas erzeugt?«
»Mittels Geophon-Traversen.«
»Erklären Sie mir das Prinzip.«
Nicht nur ich holte an dieser Stelle tief Luft. Auch Rijnhard verzog das Gesicht, während DeFries ergeben die Augen schloss. Das Spiel um die Wahrheit hatte begonnen. Wie immer fing es belanglos an, sozusagen als Kooperationstest. Als Geduldsprobe und Willigkeitsprüfung.
Stomford erklärte Mertens auf Fachchinesisch ausführlich die Methoden der geoseismischen Sondierung, und der Militär hörte geduldig zu. Als Stomford fertig war, sagte Mertens mit ausdrucksloser Miene: »Ihr redegewandter Kollege Hagen hat sich zuvor bereits denselben Spaß erlaubt. Leider bin ich kein Geologe. Können Sie es daher etwas einfacher erklären?«
Rijnhard sagte: »Wir lassen es gewaltig krachen und zeichnen das Echo auf.«
»Und was benutzen Sie zum … Krachen?«
»Ammonsalpetersprengstoff. Ropan 33.«
Mertens nickte. »Wie viel Ropan benötigt man, um unter den gegebenen Bedingungen ein brauchbares Echo zu erhalten?«
Wir tauschten stumme Blicke. Jeder wusste, worauf Mertens anspielte.
»Minimal dreihundert Gramm«, erklärte DeFries.
»Laut Ihren Unterlagen haben Sie zwanzig Traversen gelegt. Angenommen, Sie hätten dabei etwas übertrieben und pro Traverse ein Kilogramm Sprengstoff zur Detonation gebracht … Wozu benötigen Sie die übrigen zweihundert Kilogramm Ropan?«
»Sie waren dazu gedacht, vor dem Gebäudekomplex ein weiträumiges Gebiet von Eis zu befreien, um besseren Zugang zu den Bauwerken und eventuellen Eingängen zu erhalten«, erklärte DeFries mit mühsam verständlicher Stimme.
Ich wusste nicht, ob es eine Notlüge war oder der Wahrheit entsprach, doch zumindest klang es aus seinem Mund so plausibel, dass Mertens sich nach kurzem Abwägen mit der Begründung zufrieden zu geben schien. Dafür hielt er auf einmal DeFries’ Pillenfläschchen in seiner Hand.
»Sie wirken krank, Professor«, bemerkte er. »Fehlt Ihnen etwas?« Er drehte das Fläschchen in seinen Fingern und studierte das Etikett, als habe er es soeben zum ersten Mal entdeckt. »Butophermadon«, las er Silbe für Silbe ab. »Verzeihen Sie meine Unwissenheit: Was ist das?«
DeFries faltete seine zitternden Hände und tippte mit den Daumen rhythmisch gegeneinander. »Ein Morphin.«
»Ah, Morphium …« Mertens nickte und starrte sekundenlang auf das Fläschchen, als würde er die einzelnen Dragees im Inneren zählen. Dann fragte er: »Für was brauchen Sie Morphium, Professor? Haben Sie Schmerzen?« DeFries sah finster drein, ohne zu antworten. »Ich meine«, fuhr der Militär in nachdenklichem Tonfall fort, »meines Wissens nach wird so etwas nur Drogensüchtigen verschrieben – oder Krebskranken.«
DeFries schluckte schwer. »Es ist gegen die Schmerzen, ja.«
»Gegen welche Art von Schmerzen?«
»Gegen – meine Krankheit …«
Mertens lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Seit wann sind Sie krank, Professor?«
DeFries schwieg.
»Dr. Jorgensen hatte, wenn ich mich recht entsinne, ebenfalls eine Krankheit«, überlegte Mertens scheinheilig. »Oh, ja, da fällt mir ein: Er starb vor wenigen Tagen daran. Es ging schnell. So ungewöhnlich schnell, dass die Sache eine ganze Reihe von Leuten zu beunruhigen begann.« Er beugte sich so weit vor, dass nur noch seine Augen, seine Nase und sein Mund auf dem Bildschirm zu sehen waren. »Nicht einmal, wenn Sie ein Kilogramm Strontium 90 zum Frühstück verspeisen würden, würden Sie so intensiv von Tumoren befallen werden wie Dr. Jorgensen, Professor! Die Geschwüre, die sich durch seinen Körper fraßen, wuchsen sogar weiter, nachdem er bereits drei Tage tot war! Sie wuchsen solange, bis wir seinen Körper in einen Tank mit flüssigem Wasserstoff legten!«
Ich sah, dass DeFries noch bleicher geworden war.
»Und wissen Sie, was das Seltsame daran ist?«, fragte Mertens leise und rückte ein Stück nach hinten. »Dass Dr. Jorgensen vor zwei Monaten noch kerngesund war. Und wenn ich mir Ihre Krankenakte vom Februar dieses Jahres ansehe, dann …«
»Ja, es ist Krebs!«, zischte DeFries heiser. »Wir haben uns gemeinsam infiziert …« Er stockte, wogegen die Augen des Militärs aufleuchteten.
»Nur um Missverständnisse zu vermeiden,
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