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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Verschmelzung.«
    »Wollen Sie damit andeuten, dass ich ab jetzt Nacht für Nacht in die Traumwelt irgendeines überirdischen, körperlosen Wesens gerissen werde?«
    »Oder in dessen Erinnerung, je nachdem. Vielleicht sogar die Grenzen zwischen Gegenwart und Vergangenheit überschreitend. Ich habe jedoch weder behauptet, dass ein Esh’magone ein überirdisches Wesen ist noch ein körperloses. Allerdings muss ich gestehen, dass meines Wissens nach noch niemand eines dieser Geschöpfe in der Realität zu Gesicht bekommen hat.«
    Rijnhard sorgte mit frisch aufgebrühtem Kaffee für eine Unterbrechung, die ich begrüßte, denn das Thema war mir immer unangenehmer und weltfremder geworden. »Haben Sie Chapmann eigentlich angefasst, ehe Sie ihn zum Tempel gefahren haben?«, fragte er, während er einschenkte.
    »Glauben Sie, ich hätte ihn Kraft meiner Gedanken in den Schlitten gehievt?«
    »Haben Sie seine Haut berührt, will ich wissen.«
    Ich versuchte, in Rijnhards Augen zu lesen. »Nein. Ich habe ihn an seinem Anorak übers Eis geschleift.«
    »Gut …«
    »Was macht das für einen Unterschied? Dieses Ding ist einfach durch seinen Handschuh geschlüpft.«
    »Kein Grund zur Sorge«, beruhigte mich Rijnhard. »Wir haben Ihr Blut untersucht. Sie sind nicht infiziert.«
    »Was wissen Sie denn davon?«, wunderte ich mich. »Sie waren doch noch nicht einmal im Krater.«
    »Ich habe nicht nur Maschinen als Patienten, Poul. Ich bin Arzt.« Rijnhard grinste schief. »Mechaniker für alles, wie ich bereits bei Ihrer Ankunft erwähnt hatte.«
    »Daher kommt also Ihre Sympathie für Talalinqua.«
    Rijnhard zog die Stirn kraus und nippte an seinem Kaffee.
    »Dieses Ding«, ergriff DeFries wieder das Wort, »war nur ein Späher. Ein Auge vielleicht. Es kennt Sie nun, Poul.«
    Ich sah ihn irritiert an. »Es? Was für ein Es?«
    »Die Kreatur, die Sie mit der Fackel gereizt haben.«
    »Die …?« Fast hätte ich den Kaffee verschüttet. »Wollen Sie mir etwa weismachen, dass unter dem Eis ein Lebewesen haust?«
    »Nicht direkt ein Lebewesen. Zumindest nicht nach irdischen Gesetzen.« Er sah zu Rijnhard. »Nennen wir es eine Wesenheit.«
    »Eine Wesenheit, so, so … Vielleicht eine tonnenschwere Urzeit-Amöbe, die seit Millionen von Jahren im Eis eingefroren war und durch die Hitze des Einschlags erweckt wurde?«
    »Ziehen Sie es nicht ins Lächerliche, Poul«, mahnte Rijnhard. »Chapmann kann darüber nicht mehr lachen. Diese Kreatur wurde durch den Vorfall vor vier Monaten nicht reanimiert, sondern hat ihn verursacht!«
    »Verursacht?«
    »Durch eine intensive exotherme Reaktion.«
    Ich war geneigt, laut aufzulachen. »So etwas behaupten Sie als Arzt? Dass ein Organismus seinen Körper so stark zu erhitzen vermag, dass sich innerhalb weniger Sekunden ein Schmelzwasserkrater von sechs Kilometern Durchmesser und achthundert Metern Tiefe bildet? Bei aller Vernunft, aber wie groß soll diese Kreatur denn sein?«
    DeFries drehte sich im Sitzen herum, zog eine abgegriffene Pappmappe vom gegenüberliegenden Bett und blätterte ziellos darin herum. »Vielleicht wirkte es bisher, als würden wir unsere Arbeit vernachlässigen und unsere Energie statt dessen an Dingen verschwenden, die nicht mehr in unserem Zuständigkeitsbereich liegen«, sprach er leise. »Tatsache ist jedoch, dass wir alle erforderlichen Arbeiten bereits vor Wochen abgeschlossen haben. Im Infra-Block finden Sie vierzig Kisten mit Eisbohrkernen. Ein Großteil der schweren Ausrüstung wurde bereits per Helikopter wieder abtransportiert; Kernbohrer, Vibratoren, Schneeraupen. Vor knapp vier Wochen hatten wir mit der geoseismischen Sondierung begonnen. Dazu hatten wir eine Geophon-Traverse ausgelegt, um ein Schichtenprofil des Kratergrundes zu erhalten. Die zurückgesandten seismischen Wellen der Oberflächensprengungen hatten uns ein klares, kontinuierliches Profil des Festland-Gesteinssockels geliefert – mit Ausnahme einer Region in der Mitte des Kraters. Dort befand sich statt einer festen Untergrundlinie eine merkwürdige Inhomogenität – ein ›Nebel‹, den wir uns zu Beginn nicht erklären konnten. Daraufhin haben wir eine weitere Traverse in Nord-Süd-Richtung gelegt. Das zweite Profil zeigte wiederum einen Schallnebel im Zentrum des Kraters, und für uns war klar, dass sich irgendetwas Sonderbares dort unten befinden musste. Da dieses Objekt lediglich einen Bruchteil der Schallwellen reflektierte, zeigte das Seismogramm kein Profil, sondern nur eine diffuse

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