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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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ihm?«
    »Fehlen?« Rijnhard lachte tonlos. »Fragen Sie lieber: Was hat er zuviel …«
     
    Quarantäne bedeutete unter den hiesigen Bedingungen hauptsächlich verschlossene Türen und ein Mindestmaß an Fürsorge. Notunterkunft B lag auf der Rückseite des InfraBlocks und war vom Freien her nicht zugänglich. Man musste die Küche und das angrenzende Bad von Notunterkunft A durchqueren, um sie zu erreichen. Die Verbindungstür, die beide Unterkünfte miteinander verband, und jene, die auf der gegenüberliegenden Seite zur Osmoseanlage führte, waren von außen verschlossen. Niemand erwartete allerdings, dass Chapmann – sollte er das Bewusstsein wiedererlangen – in der Lage sein würde, ohne fremde Hilfe auch nur eine Kaffeetasse zu heben.
    In Unterkunft A hielt sich ein Mitarbeiter von DeFries auf, dem ich zum ersten Mal begegnete. Der Mann hieß Stomford, besaß die Statur eines in die Jahre gekommenen Ringkämpfers und hatte strikte Anweisung, jede verdächtige Bewegung von Chapmann sofort Rijnhard zu melden. Auch in seinem Gesicht spiegelte sich die kräftezehrende Arbeit wider; bleiche Haut, dunkle Augenringe, müder Blick. Er sagte kaum ein Wort, als wir den Raum betraten.
    In der Trennwand der Containerhälften befand sich ein flexibles Kunststofffenster. Die Scheibe war beschlagen, als sei die Luft auf der anderen Seite warm und feucht wie in einem Tropenhaus. Das Bett, auf dem Chapmann lag, stand knapp zwei Meter vom Fenster entfernt. Ich sah den Amerikaner nur verschwommen, erkannte seinen Oberkörper und den linken Arm; doch was sich meinen Augen bot, reichte aus, um mir den Magen umzudrehen.
     
    »Sein Zustand ist Furcht erregend«, gestand ich Broberg, nachdem ich ihn via Intercom über die Geschehnisse und DeFries’ Mutmaßungen über eine Kreatur unter dem Eis informiert hatte. »Sämtliche Haare sind ihm ausgefallen, und seine Haut ähnelt fleischfarbenem Wachs. Man kann seine Knochen hindurchschimmern sehen, und sein Körper ist aufgebläht wie der einer Wasserleiche …«
    Ich starrte auf den Monitor und musterte Broberg, der sich mit ernster Miene Notizen machte. Als er fertig war, faltete er die Hände vor dem Mund und sah mich an. Diesmal wurde der Ton Sekundenbruchteile vor dem Bild übertragen, und ich zuckte erschrocken zusammen, als seine Stimme aus dem Lautsprecher drang.
    »Sie sagten, Sie seien mit Chapmann nicht direkt in Berührung gekommen?«
    »Nein.«
    »Nun, ich bezweifle, dass er sich selbst ausgezogen und ins Bett gelegt hat. Irgendjemand muss ihn also entkleidet und demnach auch berührt haben.«
    »Vielleicht trug derjenige Gummihandschuhe …«
    Broberg hob skeptisch die Augenbrauen. »Wir können Chapmann nicht ausfliegen lassen, ehe nicht feststeht, von was für einer Substanz er kontaminiert wurde und was das für eine Krankheit ist, an der er leidet.«
    »Er geht vor die Hunde, wenn er nicht umgehend fachärztliche Hilfe bekommt. Ein Wunder, dass er überhaupt noch am Leben ist.«
    »Sie kennen die Vorschriften, Poul. Auch als Nicht-Bakteriologe.«
    Ich nickte resigniert. »Wissen Sie, was ich einen Moment lang dachte, als DeFries von diesem Ding unter dem Eis erzählt hat?«, fragte ich, ohne in die Kamera zu sehen. »Ich vermutete, dass er uns mit Absicht im Unklaren ließ.«
    Brobergs Augen verengten sich. »Überlegen Sie genau, was Sie jetzt sagen, Poul«, mahnte er.
    »Sein Drängen, ich möge mir das Schluckloch ansehen, erinnern Sie sich? Ich will Jon nicht Unrecht tun. Vielleicht ist es einfach nur meine Wut, die mir das einredet, aber ich habe das Gefühl, er wollte uns loswerden.«
    Brobergs Lippen waren zu einem schmalen Strich aufeinandergepresst, als ich weitersprach: »Vielleicht brachten Chapmann und ich durch unser Eintreffen hier irgendetwas aus dem Konzept.«
    Broberg lehnte sich langsam zurück und sah mich ernst an. »Seien Sie froh, dass ich es bin, mit dem Sie gerade reden, Poul. Seien Sie in Gottes Namen froh! Das ist ein absolut ungerechtfertigter Vorwurf. Ich habe vollstes Vertrauen in Jon, seine Mannschaft und seine Arbeit und will davon nie wieder etwas hören. Vergessen Sie das, was in Ihrem Kopf vorgeht, und zwar schleunigst! Ihre Schneephobie hin oder her, aber Paranoia ist das letzte, was Sie dort oben gebrauchen können.«
    »Wussten Sie, dass laut Rijnhard bereits drei Männer die Station wegen eines Lagerkollers verlassen haben?«
    Brobergs Miene blieb ungerührt. Ich zündete mir mit zitternden Fingern eine Zigarette an. Die Grenze

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