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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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DeFries stürmte herein. Sein Gesichtsausdruck hätte tollwütige Eisbären gebändigt. Er machte sich keine Mühe, die Türe zu schließen, trug nicht einmal einen Anorak.
    »Haben Sie mit Broberg gesprochen?«, fuhr er mich an. In seiner Stimme lag eine ungewohnte Schärfe.
    »Ja«, gestand ich überrumpelt. »Warum -?«
    »Haben Sie ihm von Chapmanns Krankheit und den Gallertgebilden erzählt?«
    »Ja, ich …«
    DeFries faltete die Hände vor seiner Stirn, schloss die Augen und schluckte den aufsteigenden Ärger hinunter. »Ich hätte es wissen sollen, nachdem Jorgensen ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Ich hatte gehofft, er würde es hierher zurückschaffen. Sie müssen irgendetwas in seinem Körper gefunden haben, das uns hier mit unseren beschränkten Mitteln entgangen ist, und nun benutzt Sie Broberg ganz subtil als Kundschafter.« Er sah mich wütend und verzweifelt zugleich an. »Was haben Sie ihm erzählt?«, stieß er Wort für Wort aus. »Alles, habe ich recht?«
    »Was ich für nötig hielt«, gab ich zu.
    »Was Sie für nötig hielten!?«, schnappte DeFries. »Wir halten es seit Wochen für nötig, nichts über diese Kreatur nach außen dringen zu lassen, Poul! Das dort unten ist keine Riesenbazille, die sich mit einer Wagenladung Soragrippin beseitigen lässt. Aber so etwas ähnliches werden gewisse Leute in Kopenhagen und Washington jetzt denken. Ich musste eben von Hansen erfahren, dass man ihm Flugverbot erteilt hat und alle Startplätze von den Behörden überwacht werden. Das gesamte Gebiet in einem Umkreis von fünfzig Kilometern ist unter Quarantäne gestellt worden. Wissen Sie, was das bedeutet, verdammt noch mal? Spätestens übermorgen wird hier eine Plastikarmee in Schutzanzügen auftauchen und die Sache auf eine Weise zu regeln versuchen, die jenseits aller Vernunft liegt!«
    »Und warum, zum Teufel, maßen ausgerechnet Sie sich an, es mit diesem Eskimo-Haufen dort draußen auf eine andere Weise regeln zu können?«, gab ich aufgebracht zurück. »Wollen ausgerechnet Sie es sein, der die Welt rettet und zufällig auch noch das Patentrezept dafür aufgeschrieben hat?«
    »Es gibt kein Patentrezept.«
    »Wie wollen Sie diese Kreatur dann bekämpfen?«
    »Der Schlüssel zu dieser Antwort wartet im Tempel.« DeFries drängte sich wortlos an mir vorbei und machte sich am Computer zu schaffen. Er kippte meine Reisetasche auf mein Bett aus, zog sämtliche Kabel aus dem Arbeitsrechner und stopfte sie hinein. »Ihren Laptop!«, verlangte er.
    »Was soll das?«, fuhr ich ihn an.
    »Ab jetzt werden Sie nur noch in meiner Anwesenheit über Intercom sprechen, Poul; ob mit Kopenhagen oder Mestersvig oder mit Ihrer Großmutter. Drüben im Funkraum. Haben Sie verstanden? Ihren Laptop!«
    Verärgert zog ich den Computer wieder aus dem Schubfach. DeFries packte ihn wortlos in die Tasche, zog den Reißverschluss zu und wandte sich zum Gehen. »Einen Augenblick, Jon!« Ich hielt ihn am Ärmel fest. »Wenn Sie das hier seit Wochen geheim halten …«
    DeFries erwiderte meinen Blick ohne zu blinzeln. »Ja?«
    »Dann war Jorgensens Einlieferung ins Krankenhaus nie beabsichtigt?«
    »Nein.«
    »Aber er war todkrank, das wussten Sie.«
    »Er wusste es auch. Genau wie die anderen.«
    Ich starrte abwechselnd in DeFries’ linkes und rechtes Auge. »Rijnhard hat gelogen, nicht wahr?« Meine Stimme zitterte. »Die drei Mitglieder Ihrer Mannschaft, von denen er erzählt hat. Ihre verwaisten Arbeitsplätze … Keiner von ihnen hat einen Lagerkoller bekommen, wie er behauptete. Das war es, was ihm zu schaffen gemacht hatte, als er mich durch die Station führte.«
    Sekundenlang sah mich DeFries versteinert an. »Ja«, sagte er schließlich kühl, aber dennoch ruhig. »Keiner von ihnen hat die Station je verlassen. Sie sind tot. Ihre Gräber finden Sie ein paar hundert Schritte hinter dem Infrablock.« Er befreite sich aus meinem Griff. »Wir alle sind bereits so gut wie tot, Poul. Ich hatte Sie gewarnt. Wenn wir es nicht aufhalten, wird es die gesamte Welt infizieren. Denken Sie an die letzten Zeilen des Taaloq …«
    »Vielleicht ist es längst zu spät.«
    DeFries schulterte die Reisetasche. »Zu spät? Ach, Sie meinen Jorgensen …Ja, das ist wahr, vielleicht ist es zu spät … Aber nur vielleicht …«
    »Jon«, rief ich, als er bereits die Tür geöffnet hatte. DeFries blieb stehen, ohne sich umzudrehen. »Was ist das für eine Kreatur unter dem Eis?«
    DeFries tat einen weiteren Schritt nach draußen, ehe er

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