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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Dieses Ding, das aus ihm heraus schrie, als wir seinen Körper in Flammen gesetzt hatten – und das alles, nachdem er bereits Tage zuvor gestorben war.« Er sah mich wieder an, und beim Blick in seine Augen zog sich etwas in mir zusammen. »Ich bin Arzt, Poul. Soerensen war tot. So tot, wie ein Mensch es nur sein kann. Das, was danach erwacht ist, war in gewissem Sinne vielleicht immer noch Soerensen, aber keinesfalls mehr ein Geschöpf Gottes …« Er betrachtete erneut die Gräber. »Das wird unser Schicksal sein, Poul.«
    Das Durcheinander in meinem Kopf gewann von Sekunde zu Sekunde an Intensität. Unfähig, irgendeinen vernünftigen Satz über die Lippen zu bringen, betrachtete ich Rijnhards versteinertes Profil, versuchte das, was er soeben gesagt hatte, irgendwo in eine Schublade meines Kopfes einzuordnen, die noch das Etikett ›Vernunft‹ trug. Die kriechenden Gallertgebilde aus dem Schluckloch, das lähmende Entsetzen im Inneren des Tempels, DeFries’ Andeutung einer urzeitlichen Kreatur unter dem Eis, der Taaloq … für all diese Phänomene vermochte ich zumindest noch rationale Erklärungen zu finden. Aber Rijnhard sprach allen Ernstes von lebenden Toten! Von Zombies! Und er wirkte auf mich in diesem Augenblick keinesfalls wie jemand, dem nach makaberen Scherzen zumute war.
    Ich erinnere mich, irgendetwas zu ihm gesagt zu haben. Ich weiß nicht, ob es etwas Sinnvolles oder etwas Unzusammenhängendes war, kann mich nicht einmal daran erinnern, meine eigene Stimme vernommen zu haben. Ich weiß nur, dass eine fürchterliche, ohnmächtige Wut von mir Besitz ergriff.
    Rijnhard nickte jedenfalls und antwortete: »Ich fürchte ja, Poul. Womöglich sogar ich, obwohl ich nie unten war. Vielleicht auch schon dieses Fleischfresserpack dort drüben. Aber ich bin der Arzt hier, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich kenne den Taaloq nicht, aber ich habe erlebt, wie Tote wieder auferstehen.
    Um zu wissen, was das bedeutet, brauche ich keine Mythen. Da reichen medizinische Fakten. Suchen Sie keinen Schuldigen für das Schicksal, Poul. Es gibt eine Art von Wissen, die sich selbst genug ist. Ein Wissen, das sich selbst Gesetz ist.«
    Er griff in seinen Anorak, und ich glaubte bereits, er hole erneut seinen Flachmann heraus. Statt dessen zog er ein doppelt gefaltetes Blatt Papier aus der Innentasche. »Hier, für Sie, mit einem Gruß von DeFries. Hat er vorhin hochgeschickt. Das erübrigt viele Worte.«
    Ich faltete das Blatt auseinander und betrachtete sekundenlang den etwas unscharfen Farbausdruck eines Digitalfotos. Das Objektiv der Kamera, mit der das Motiv abgelichtet worden war, musste aufgrund hoher Luftfeuchtigkeit beschlagen gewesen sein. Was der Ausdruck zeigte, war dennoch deutlich zu erkennen.
    »Hoeg hat eine Luftprobe genommen und das Bohrloch wieder versiegelt«, erklärte Rijnhard. »Die Analyse ergab, dass die Atmosphäre im Inneren atembar ist.«
    »Zyklon B ist auch atembar …«
    »Der Sauerstoffanteil ist ausreichend«, präzisierte Rijnhard. »Ferner konnten weder Sporen noch Bakterien nachgewiesen werden. Überhaupt nichts Lebendiges, um genau zu sein. Sterilisierte Luft, wenn Sie’s so nennen wollen.«
    »Nach all der Zeit, die vergangen ist?«
    Rijnhard zuckte die Schultern. »Sicher, es ist nicht unbedingt Frischluft, aber auch keine Marsatmosphäre. Theoretisch besteht die Gefahr, dass beim Betreten eine von Mikroorganismen durchsetzte Staub- oder Sporenschicht aufgewirbelt wird, aber DeFries hält es für unwahrscheinlich. Er sagt, das, was man durchs Eis erkennen kann, sieht aus wie ein frisch geputztes Badezimmer. Man wartet unten auf Sie.«
    Ich reichte Rijnhard den Farbausdruck zurück. »Danke.«
    »Silis!«, rief er mir hinterher, als ich bereits ein paar Schritte in Richtung Krater gelaufen war.
    »Ja?«
    »Memento mori!«
     
    Kaum eine halbe Stunde später stand ich vor dem Zugangstunnel zu den Eishallen. Die Schläuche, durch die heißes Wasser ins Innere und Schmelzwasser aus der Tiefe herausgepumpt wurden, zuckten und pulsierten auf den Stufen wie in Agonie, und der Lärm des Kompressors, vom Brummen der Pumpstation und dem leisen Surren aus dem Generatorcontainer untermalt, hämmerte auf meine Gedanken ein. Während des Abstiegs in den Krater hatte meine anfängliche Unsicherheit gespannter Erwartung Platz gemacht – zumindest so lange, bis mich die Angst vor dem, was mich in der Tiefe erwarten mochte, wenige Schritte vor dem Eingang wieder übermannte. Die Schläuche wirkten

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