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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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auf mich wie sich windende, tastende Tentakel, und ich war mir bewusst, dass ich am Relief vorbei musste, um in die hintere Halle zu gelangen.
    Ich würde ja gerne in deine Höhle kommen, sprach der Fuchs zum Löwen, wenn nicht so viele Spuren hinein-, aber keine hinausführen würden …
    Nachdem ich minutenlang vor dem Eingang herumgelungert war, ohne dass Maqi oder DeFries sich auf mein Rufen hin gezeigt hatten, gab ich mir einen inneren Ruck und betrat den Zugangstunnel. Fast wäre ich gestürzt, hätte ich nicht im letzten Moment die Stufen bemerkt, die ein paar Meter weiter frisch ins Eis geschlagen worden waren. Der Boden der Fronthalle lag wesentlich tiefer als ich ihn von meinem ersten Besuch in Erinnerung hatte und schien am Ende der Passage schachtartig in die Tiefe zu stürzen.
    Argwöhnisch schlich ich an der Eiswand gegenüber der Gebäudemauer entlang und betrachtete beim Näherkommen das Ideogramm, in der Erwartung, jeden Augenblick von einem gebündelten, sinnraubenden Strahl destruktiver Energie getroffen zu werden. Doch der Vorfall von vorgestern wiederholte sich nicht. Mein Herzklopfen und die Kälte, die mich schüttelte, entpuppten sich als Symptome natürlicher Angst. Als ich schließlich vor dem Relief stand und es misstrauisch betrachtete, wagte ich kaum zu atmen. Für Sekunden verwandelte sich die gewundene Linie vor meinem geistigen Auge in einen schimmernden Protoplasmawurm, der mir sein unmenschliches Antlitz zuwandte. Ich rieb mir über die Augen, sah erneut hin. Das Ideogramm war wieder gestaltlos und starr. Er kennt dich nun, flüsterte die Stimme in mir. Er lässt dich passieren …
    In der hinteren Halle führte eine Aluminiumleiter etwa drei Meter hinab auf ein zweites, von im Eis verankerten Neonlampen erhelltes Stockwerk. Vorsichtig kletterte ich in die Tiefe und folgte den Schläuchen und Kabeln durch zwei katakombenartige Eisgewölbe bis zu einem Schacht, neben dem mehrere wasserisolierte Kabeltrommeln auf einer Holzpalette standen. Jenseits des Schachtes öffnete sich in östlicher Richtung eine dritte und vielleicht sogar eine vierte Halle. Die geisterhafte Beleuchtung und die vom Wasser geschaffenen Wandstrukturen vermittelten mir den Eindruck, mich durch einen riesigen Kristall zu bewegen. Ich lauschte nach Stimmen, doch das einzige Geräusch, das an meine Ohren drang, war das sanfte Gleiten der Schläuche über das Eis.
    Die Luft war unangenehm feucht vom Dampf, der aus dem Schacht heraufdrang. Als ich auf dem dritten Stockwerk ankam, hörte der Heißwasserschlauch unvermittelt auf, sich zu winden, während jener, durch den das Schmelzwasser abgepumpt wurde, weiterhin pulsierte. Es sah aus, als schlüpften Hunderte von Gallertklumpen durch ihn hinauf an die Oberfläche. Obwohl ich sicher war, dass es sich nur um Wasserschübe handelte, vermied ich es, den Schlauch mit dem Schuh zu berühren.
    Ich stieß auf weitere Reliefs, vermochte aber nicht mehr als verschlungene Linien und geometrische Formen in ihnen zu erkennen. Manche ähnelten dem Ideogramm im obersten Stockwerk, andere sahen aus wie magische Labyrinthe und astronomische Karten. Bis ich endlich das vertraute Geräusch von Stimmen vernahm, musste ich noch einmal zwei Schächte hinabklettern und sechs weitere Eishallen durchqueren. Ich schlurfte an den Wänden der terrassenartig untereinander angeordneten Bauwerke entlang, und stellenweise war es sogar möglich, über das Gestein der vom Eis befreiten Dächer zu laufen.
    Ich fragte mich, welchen Zweck die durchweg fensterlosen Gebäude einst erfüllt haben mochten. Waren sie aus religiösen Gründen nur von Fackelschein erhellt worden? Oder vielleicht überhaupt nie? Womöglich bestranden die riesigen Quader auch aus massivem Gestein. Dann musste ich an jene Kreaturen aus meinem Traum denken, die sich in der Dunkelheit der Innenräume hinter den riesigen, larvenartigen Geschöpfen verborgen gehalten hatten. Vielleicht war es in ihrem Sinne gewesen, die Gebäude ohne Fenster zu erbauen …
    Ich versuchte die Erinnerungen an den Traum zu verdrängen, aber es wollte mir angesichts der unwirklichen Umgebung nicht recht gelingen.
    Im fünften Tiefgeschoss stieß ich auf eine hüfthohe Box, die an eines der Stromkabel gekoppelt war und aussah wie eine Kühltruhe. Nur mit viel Mühe konnte ich ihren Deckel anheben, und das laute, schmatzende Geräusch, das dabei entstand, zeugte vom Unterdruck, der im Inneren des Behälters geherrscht hatte. Zu meiner Überraschung war die

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